§§ 464, 470 StPO
Leitsatz
- Zur Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung zu Lasten eines Zeugen bei Rücknahme des Strafantrags.
- Eine Kostentragungspflicht des § 470 S. 1 StPO setzt voraus, dass das Verfahren durch den Strafantrag bedingt war und wegen dessen Zurücknahme eingestellt werden muss
LG Kaiserslautern, Beschl. v. 12.4.2021 – 5 Qs 23/21
I. Sachverhalt
Die Zeugin erstattete am 25.11.2019 Strafanzeige gegen ihren Ehemann wegen einer Körperverletzungshandlung, welche sich im Juni 2019 zugetragen haben sollte, und stellte einen entsprechenden Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlung auf und bejahte ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Sie beantragte am 12.2.2020 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Ehemann beim AG. Das AG erließ den Strafbefehl am 19.2.2020 und stellte ihn dem Angeklagten zu. Nachdem der Angeklagte, vertreten durch seinen Wahlverteidiger, fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG einen Termin zur Hauptverhandlung für den 22.6.2020 und lud die Ehefrau als Zeugin.
In der Hauptverhandlung wurde die Ehefrau als Zeugin vernommen. Sie hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zudem erklärte sie, dass sie ihren Strafantrag zurücknehme. Nachdem sie unvereidigt entlassen worden war, erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht mehr bejaht werde, und beantragte eine Verfahrenseinstellung nach § 260 Abs. 3 StPO sowie eine Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Zeugin. Den Anträgen schloss sich der Verteidiger des Ehemanns an. Das AG hat das Verfahren durch Urteil eingestellt und der Zeugin die Kosten auferlegt. Es wurde Rechtsmittelverzicht erklärt.
Der Verteidiger des Ehemannes hat dann die Festsetzung der Kosten gegen die Zeugin beantragt. Die Zeugin hat am 9.3.2021 vertreten durch einen Rechtsanwalt sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des AG vom 22.6.2020 eingelegt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
II. Zulässigkeit/Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde
Das LG hat die sofortige Beschwerde der Zeugin als zulässig angesehen. Gem. § 464 Abs. 3 S. 1, HS 1 StPO könne gegen eine Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde eingelegt werden. Die Ausnahmeregelung des § 464 Abs. 3 S. 1 HS 2 StPO, wonach dies nicht gilt, wenn die Hauptsacheentscheidung, im Rahmen derer die Kostenentscheidung getroffen worden ist, nicht vom Antragsteller angefochten werden kann, finde keine Anwendung. Die Kammer verkenne dabei nicht, dass die vorliegende Kostenentscheidung nach § 470 StPO im Urteil zur Hauptsache getroffen worden sei. Gegen das Urteil stünde der Zeugin als Strafantragstellerin nach § 300 StPO kein Rechtsmittel zu. Für diese Konstellation werde von der überwiegenden Auffassung in Rspr. und Lit. vertreten, dass die Kostenentscheidung unanfechtbar sein solle (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 2014, 424; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.2.2012 – 2 Ws 80/11; OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2017 – 20 Ws 226/17; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn 4).
Die Kammer schließt sich hingegen der Auffassung an, nach der die Kostenentscheidung gleichwohl angreifbar ist, da sie aufgrund der Sonderstellung des § 470 StPO eine isolierte Entscheidung darstellt (MüKo-StPO/Grommes, 1. Aufl., § 470 Rn 20; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 470 Rn 8). Das begründet das LG mit folgenden Erwägungen:
Zunächst spreche für diese Auffassung der Umkehrschluss aus den Regelungen der § 467a Abs. 3 und § 469 Abs. 3 StPO. Nach § 467a Abs. 1 StPO trage die Staatskasse auf entsprechenden Antrag die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten, wenn die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage nach Erhebung zurücknimmt und das Verfahren einstellt. Ein so ergangener Beschluss sei ausdrücklich gem. § 467a Abs. 3 StPO nicht anfechtbar. Gleiches gelte für eine Entscheidung gem. § 469 Abs. 1 StPO, wonach dem Anzeigenerstatter, der durch eine unwahre Anzeige leichtfertig oder vorsätzlich die Aufnahme eines Strafverfahrens veranlasse, die Kosten hierfür aufzuerlegen seien. Auch hier werde in Abs. 3 der Norm eine Anfechtbarkeit ausdrücklich verneint (vgl. MüKo-StPO/Grommes, 1. Aufl., § 469 Rn 16). Ein ausdrückliches Anfechtungsverbot finde sich bei § 470 StPO, wonach sich die Kostentragungspflicht alleine aus der Rücknahme des Antrags ergebe und mithin im Hinblick auf den Anlass der Verfahrenseinstellung indifferent sei, gerade nicht, sodass eine gesetzgeberisch gewünschte Gleichstellung mit den Normadressaten der § 467a Abs. 1 und § 469 Abs. 1 StPO nicht anzunehmen sei.
Etwas anderes ergibt sich für das LG auch nicht aus dem systematischen Vergleich zu den Nebenklagerechten (§ 400 StPO, vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 470 Rn 4). Nach der wohl überwiegenden und zutreffenden Ansicht handele es sich bei der Vorschrift des § 400 Abs. 1 StPO lediglich um einen gesetzlich geregelten, generellen Ausschluss der Beschwer des Nebenklägers, der die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Hauptentscheidung ebenso wenig wie eine mangelnde Beschwer im Einzelfall beseitigt und damit die Zulässigkeit der Kostenbeschwerde nic...