§§ 21 Abs. 1 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1, 49a, 66 Abs. 1 S. 1 GKG
Leitsatz
- Der Antrag des Kostenschuldners, Gerichtskosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 21 GKG nicht zu erheben, ist als Erinnerung gegen den Kostenansatz gem. § 66 Abs. 1 S. 1 GKG auszulegen.
- Eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG setzt voraus, dass das Gericht gegen eine klare gesetzliche Regelung verstoßen, insbesondere einen schweren Verfahrensfehler begangen hat, der offen zutage tritt.
- Ein solcher schwerer Verfahrensfehler liegt dann nicht vor, wenn das Rechtsmittelgericht für die Zulässigkeit des Rechtsmittels auf die maßgebliche Beschwer und nicht auf den hiervon abweichenden Gebührenstreitwert abgestellt hat.
BGH, Beschl. v. 24.2.2021 – V ZR 45/20
I. Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und die Beklagten bildeten eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit ihrer beim AG Oldenburg erhobenen Klage verlangte die Klägerin, bestimmte Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären. Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG Itzehoe hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision hat das LG nicht zugelassen.
Hieraufhin hat die Klägerin beim BGH Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 1.10.2020 als unzulässig verworfen, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteige. Bei einer einschränkungslosen Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung bestimme sich die Beschwer nach dem Anteil des Anfechtungsklägers an dem Gesamtergebnis der Abrechnung oder des Wirtschaftsplans. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger formale Fehler der Abrechnung bemängelt. Auf der Grundlage der auf die Klägerin auf die Jahresabrechnungen und den Wirtschaftsplan entfallenden Beträge hat der BGH einen Wert der Beschwer i.H.v. insgesamt rund 5.600,00 EUR errechnet. Der BGH hat deshalb durch Beschluss vom 1.10.2020 die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als unzulässig verworfen und den "Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens" auf 23.578,95 EUR festgesetzt.
Nach Beendigung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens hat der Kostenbeamte des BGH gegen die Klägerin Gerichtskosten auf der Grundlage eines Streitwertes von 23.578,95 EUR angesetzt.
Nach Zugang dieses Kostenansatzes hat die Klägerin beim BGH den Antrag gestellt, die Gerichtskosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gem. § 21 GKG nicht zu erheben. Dies hat sie damit begründet, dem Senat sei ein Verfahrensfehler unterlaufen, da er – wie sich aus der Festsetzung des "Gebührenstreitwertes" ergebe – das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wegen Nichterreichen des Beschwerdewertes zu Unrecht als unzulässig verworfen habe.
Der Kostenbeamte des BGH hat die Eingabe der Klägerin als Erinnerung gegen den Gerichtskostenansatz angesehen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Einzelrichterin des Senats hat die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Auslegung als Erinnerung
Der BGH hat zunächst ausgeführt, der Antrag der Klägerin, Gerichtskosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 21 GKG nicht zu erheben, sei als Erinnerung gegen den Gerichtskostenansatz gem. § 66 Abs. 1 S. 1 GKG auszulegen, über die – nach Nichtabhilfe seitens des Kostenbeamten – die Einzelrichterin des Senats zu befinden habe.
III. Unrichtige Sachbehandlung
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass eine fehlerhafte Sachbehandlung seitens des Gerichts i.S.v. § 21 Abs. 1 S. GKG voraussetze, dass das Gericht gegen eine klare gesetzliche Regelung verstoßen hat, insbesondere einen schweren Verfahrensfehler begangen hat, der offen zutage tritt (s. BGH NJW-RR 2003, 1294).
2. Kein schwerer Verfahrensfehler
Ein solcher zur Nichterhebung der Gerichtskosten führender Verfahrensfehler ist dem Senat nach den weiteren Ausführungen der Einzelrichterin nicht unterlaufen. Insbesondere habe der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin nicht zu Unrecht wegen Nichterreichens des Beschwerdewertes als unzulässig verworfen. Die Klägerin verkenne, dass der Wert der Beschwer einerseits und der Gebührenstreitwert generell nicht gleichgesetzt werden könnten, sondern auseinanderfallen können. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Gebührenstreitwert aufgrund gesetzlicher Anordnung nicht nur nach dem für die Beschwer maßgeblichen einfachen klägerischen Interesse bemessen werde, sondern weitere Faktoren einzubeziehen seien. Eine solche gesetzliche Vorgabe enthalte der hier anwendbare § 49a GKG. Gem. § 49a Abs. 1 S. 1 GKG ist der Streitwert auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Dabei darf der Streitwert gem. § 49a Abs. 1 S. 2 GKG das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Er...