§ 42 RVG
Leitsatz
- Über den Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr für die Tätigkeit des Wahlanwalts im Revisionsverfahren vor dem BGH entscheidet der Senat in einer Spruchgruppe mit fünf Bundesrichtern. Eine Zuständigkeit des Einzelrichters, wie sie § 42 Abs. 3 RVG für die OLG ermöglicht, kommt nach geltendem Recht nicht in Betracht.
- Der Zulässigkeit eines Pauschgebührenantrags des Wahlanwalts nach § 42 RVG steht ein ggfs. bereits rechtskräftig gewordener Kostenfestsetzungsbeschluss entgegen.
BGH, Beschl. v. 3.11.2021 – 3 StR 86/16
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt hat den Angeklagten im Revisionsverfahren als Wahlverteidiger verteidigt. Er hat nach Abschluss des Verfahrens wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit im Revisionsverfahren gem. § 42 RVG die Feststellung einer Pauschgebühr i.H.v. 1.100,00 EUR beantragt. Die Vertreterin der Bundeskasse hat das befürwortet. Der BGH hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen.
II. Fünfer-Spruchgruppe
Der 3. Strafsenat hat über den Antrag in einer Spruchgruppe mit fünf Richtern entschieden. Eine Zuständigkeit des Einzelrichters, wie sie § 42 Abs. 3 RVG für die OLG ermöglicht, komme nach geltendem Recht nicht in Betracht. § 122 Abs. 1 GVG sehe für das OLG vor, dass in bestimmten Fällen der Einzelrichter entscheiden kann. Eine entsprechende Regelung für den BGH enthalte das GVG hingegen nicht (vgl. § 139 GVG; s. BGH NStZ 2006, 239 = AGS 2006, 120). Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen dem § 139 GVG die Vorschrift des § 1 Abs. 3 RVG vorgeht und daher ein Einzelrichter am BGH über einen Antrag nach § 33 RVG zuständig ist (vgl. BGH NJW 2021, 3191 = AGS 2021, 471 [Hansens]). Denn während sich der insoweit maßgebliche § 33 Abs. 8 RVG auf "das Gericht" bezieht und damit auch den BGH erfasse, gelte § 42 Abs. 3 RVG nach seinem unmissverständlichen Wortlaut allein für das "Oberlandesgericht". Dies ggfs. zu ändern, obläge allein dem Gesetzgeber.
III. Rechtskräftige Festsetzung der Kosten für das Revisionsverfahren
Der Antrag sei, so der BGH, unzulässig, weil die Kosten für das Revisionsverfahren bereits rechtskräftig festgesetzt worden seien. Der Wahlverteidiger habe am 14.1.2019 Kostenfestsetzung bezüglich des Revisionsverfahrens und am 4.2.2019 die Feststellung einer Pauschgebühr beantragt. Am 26.4.2019 habe das LG einen Kostenfestsetzungsbeschluss auch hinsichtlich der Kosten des Revisionsverfahrens erlassen. Gegen diesen Beschluss habe der Verteidiger kein Rechtsmittel eingelegt. Damit sei der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr unzulässig.
Die Unzulässigkeit des Antrags nach § 42 RVG folge in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die gesetzlichen Gebühren bereits festgesetzt worden seien, aus der in § 42 Abs. 4 RVG statuierten Bindungswirkung, die der Feststellung der Pauschgebühr für das Kostenfestsetzungsverfahren zukommt. In dem zweistufigen Verfahren zu einem vollstreckbaren Gebührentitel könne die festgestellte Pauschvergütung nur Bindungswirkung entfalten, können divergierende Entscheidungen allein dann vermieden und die angestrebte Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung nur erreicht werden, wenn die Pauschgebühr zu einem Zeitpunkt beantragt werde, in dem die getroffene Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren noch Berücksichtigung finden könne. Der Verteidiger müsse daher dem rechtskräftigen Abschluss des Kostenfestsetzungsverfahrens entgegenwirken (OLG Bamberg AGS 2011, 228 = RVGreport 2011, 176 = StRR 2011, 240; OLG Jena JurBüro 2010, 642; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl,. 2021, § 42 Rn 18 f.; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., 2021, § 42 Rn 17). Daran fehle es hier.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Besetzung des Gerichts
Die Entscheidung setzt zum Leitsatz zu 1. die bisherige Rspr. des BGH zur Besetzung des Senats in den Fällen der Entscheidung über eine Pauschgebühr – egal, ob nach § 42 RVG für den Wahlanwalt oder nach § 51 RVG für den Pflichtverteidiger – fort. Ein Wort eines Strafsenats des BGH dazu war jetzt im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen, die der 3. Strafsenat zitiert, erforderlich.
2. Zulässigkeit des Pauschgebührenantrags
Die Entscheidung entspricht auch hinsichtlich des Leitsatzes zu 2. der h.M. in der Rspr. der OLG. Letztlich wird man sich dieser Auffassung nicht verschließen können. Denn mit dem Kostenfestsetzungsantrag nach § 464b StPO hat der Verteidiger sein Ermessen nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG gegenüber der Staatskasse ausgeübt. Er ist an dieses einmal ausgeübte Ermessen bei der Bestimmung der Billigkeit der angefallenen Gebühren innerhalb des Gebührenrahmens gebunden (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Aufl., 2021, § 14 Rn 4). Die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger und erfolgt gem. § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber seinem Mandanten bzw. aufgrund der in der Strafprozessvollmacht vereinten Abtretung von Erstattungsforderungen gegen die Landeskasse dieser gegenüber. Zwar geht die überwiegende Auffassung in Rspr. und Lit. davon aus, dass grds. die Möglichkeit einer nachträglichen Kostenfestsetzung ...