Die Entscheidung des AG Pankow-Weissensee beinhaltet gleich mehrere bedeutende Punkte. Vorliegend sollen jedoch nur die wesentlichen besprochen werden.
1. Nachträgliche Antragstellung
Gem. §§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2 BerHG ist – anstelle der persönlichen Antragstellung bei Gericht – der Direktzugang zur Beratungsperson möglich. Insoweit eröffnet das BerHG in Abweichung des "Regelfalls" (vorherige Konsultation des Gerichts) auch in dringenden Fällen die Möglichkeit, sich unmittelbar rechtskundigen Rat zu besorgen, vielleicht, weil es eilt, vielleicht, weil eine vorherige Konsultation des Gerichts nicht möglich war. Der Gesetzgeber hat insoweit jedoch zum 1.1.2014 eine Frist von 4 Wochen geschaffen, innerhalb derer solche "Direktkonsultationen" der Beratungsperson nachträglich bei Gericht beantragt werden müssen. In allen Fällen der nachträglichen Antragstellung ist diese 4-Wochen-Frist des § 6 Abs. 2 BerHG daher zu beachten, wobei diese Frist mit der Beratungshilfetätigkeit durch die Beratungsperson zu laufen beginnt, was zeitlich mit der Übernahme des Mandats durch die Beratungsperson zusammenfällt. Mit anderen Worten: dann, wenn die erstmalige Konsultation des Rechtsanwaltes erfolgt, das Beratungshilfemandat begründet und die Vollmacht unterzeichnet wird.
Während man früher, vor dem 1.1.2014, davon ausging, dass der nachträgliche Antrag nur schriftlich und über das Anwaltsbüro erfolgen konnte, sieht man nun im Lichte der Regelungen seit dem 1.1.2014 kein solches Petitum mehr. Seit dem 1.1.2014 erfolgen Vergütung und Bewilligung auch im nachträglichen Antragstellungsfalle zweigleisig, da die Bewilligung durch das Gericht erfolgen muss, die Vergütung (mangels Vorschussrecht) weiterhin erst am Ende bei Fälligkeit festgesetzt werden kann. Durch die Einführung der 4-Wochen-Frist zur nachträglichen Antragstellung ist also überwiegend davon auszugehen, dass ein Berechtigungsschein auch bei nachträglicher Antragstellung zu erteilen ist, sofern das Verfahren nicht innerhalb der 4 Wochen erledigt werden kann.
Folglich gestaltet sich das nachträgliche Verfahren seit dem 1.1.2014 wesentlich aufwendiger und gegenüber der zuvor geltenden Lage wegen der sich daraus ergebenden Mehrstufigkeit (Lissner, AGS 2015, 53 ff.; Ders., RVGreport 2017, 162 ff.). Gewährt die Beratungsperson im Falle der unmittelbaren Inanspruchnahme Beratungshilfe im Vertrauen auf eine nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe durch das Gericht, so trägt sie insoweit zudem das Kostenrisiko, nämlich die Vergütung gem. Nrn. 2501 ff. VV aufgrund einer ablehnenden Entscheidung des AG nicht zu erhalten. Auch deswegen wurde die 4-Wochen-Frist eingeführt, um so einen drohenden "Verlust" möglichst gering zu halten.
Eine Ausnahme der notwendigen (aber durchaus mit praktischen Problemen behafteten, s. Lissner, AGS 2015, 53 ff.; Ders., RVGreport 2017, 162 ff.) nachträglichen Erteilung des Berechtigungsscheines ist (nur!) dann gegeben, wenn der Sachverhalt binnen 4 Wochen erledigt werden kann. Von einem solchen Fall – ganz eindeutig ergibt sich dies jedoch nicht – ging das AG Pankow-Weissensee offensichtlich aus, indem der nachträgliche Bewilligungsantrag mit einem Vergütungsantrag bei Fälligkeit zusammenfällt. Insoweit reicht dann eine konkludente Bewilligung – auch in Form einer antragsgemäßen Auszahlung – aus. Für alle anderen Fälle (Sachverhalt ist nicht binnen 4 Wochen erledigt), ist die nachträgliche Erteilung eines Berechtigungsscheines oder eine Ablehnung der nachträglichen Beratungshilfebewilligung (nicht des Scheins) unerlässlich.
2. Selbstzahlervergleich
Schön herausgearbeitet wurde durch das Gericht die Problematik, in wie weit sich ein bemittelter Bürger in gleicher Weise mit dem praktischen Fall auseinandersetzen würde. Ein "zahlender" Kunde erwartet folglich, ein Höchstmaß an Konkretisierung und individueller Prüfung, wenn er zum Rechtsanwalt geht. Ein "Massenantrag", der dem individuellen Fall nicht gerecht wird, würde zweifelsohne durch einen bezahlenden Mandanten abgelehnt werden. Ob insoweit überhaupt von einer echten "Hilfe" gesprochen werden kann, darf dahinstehen. Das BerHG setzt aber genau hier an, indem es den unbemittelten Rechtsuchenden mit dem bemittelten Rechtsuchenden vergleicht. Nur wenn letzterer ebenfalls "Geld ausgeben würde", also kostenpflichtig einen Anwalt aufsuchen würde, ist auch der Einsatz von Beratungshilfe legitim (BVerfG Rpfleger 2009, 571; OLG Hamm FamRZ 1980, 457; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 1123; Nöcker, RPfleger 1981,1; LG Münster Jurbüro 1984, 447, 449; Lissner, Rpfleger 2007, 448; BVerfG Rpfleger 2007, 552).
Zu Recht argumentiert daher das Gericht, dass Beratungshilfe daher im entschiedenen Fall ausscheide, denn ein zahlender Rechtsuchender hätte etwas Anderes erwartet. Dabei ist nicht die Auskömmlichkeit der BerH-Vergütung oder die Prozessökonomie von Beratungshilfemandaten abzustellen (Anm.: Solche können nur in den wenigsten Fällen wirtschaftlich betrieben werden), sondern auf die standesrechtlichen Gesichtspunkte, auch oh...