Die Entscheidung der Einzelrichterin des BGH ist in mehrfacher Hinsicht unrichtig.
1. Zuständigkeit des Einzelrichters
Aufgrund des Beschlusses des Großen Senats für Zivilsachen des BGH vom 9.8.2021 (AGS 2021, 471 [Hansens] = zfs 2021, 642 m. Anm. Hansens = NJW 2021, 3191) entscheidet über Anträge auf Festsetzung des Gegenstandswertes beim BGH der Einzelrichter. Dies hat für alle Beteiligten nicht nur gute Seiten, weil der Sachverstand des gesamten Senats fehlt. Der betreffende Einzelrichter ist bei seiner Entscheidung dann auf sich allein gestellt, was die Fehleranfälligkeit – wie auch der Beschluss der Einzelrichterin hier zeigt – erhöht. Dies betrifft folgende Punkte.
a) Festsetzung nur zugunsten des antragstellenden Rechtsanwalts
Vorliegend hatte der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin den Antrag auf gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt. Die Einzelrichterin des BGH hat den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren ohne Beschränkung auf den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin festgesetzt. Dies war falsch, weil der Gegenstandswert nur für die anwaltliche Tätigkeit desjenigen Rechtsanwalts festgesetzt werden darf, der den entsprechenden Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes gestellt hatte. Eine Festsetzung des Gegenstandswertes allgemein für die anwaltliche Tätigkeit ist demzufolge unzulässig (KG AGS 2021, 281 [Hansens] = zfs 2022, 46 m. Anm. Hansens). Dies hat seinen Sinn darin, dass für die jeweiligen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten durchaus unterschiedliche Gegenstandswerte gelten können. So lag der Fall auch hier.
b) Falsche Gesetzesvorschrift
Die Einzelrichterin des BGH hat für die Festsetzung des Gegenstandswertes in dem vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG zurückgegriffen. Dabei hat sie übersehen, dass diese Vorschrift lediglich für den Gläubiger gilt. In Verfahren über Anträge des Schuldners, also auch in dem auf Antrag des Schuldners eingeleiteten Rechtsbeschwerdeverfahren gilt hingegen die Wertvorschrift des § 25 Abs. 2 RVG. Danach bestimmt sich der Wert nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen. Folglich ist der Wert, der für Vollstreckungsanträge des Gläubigers gilt, für die Bemessung des Gegenstandswertes auf Seiten des Schuldners nicht verbindlich. Allerdings wird dieser für den Gläubiger geltende Wert einen Anhaltspunkt für die Ermessensentscheidung des Gerichts geben (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., 2021, § 25 Rn 45). Vorliegend hat die Einzelrichterin das ihr obliegende Ermessen jedoch in Verkennung der anwendbaren Gesetzesvorschrift gar nicht ausgeübt. Es ist somit nicht auszuschließen, dass der Gegenstandswert allein für diesen Antrag in Ausübung des billigen Ermessens der Einzelrichterin mit wesentlich mehr als 2.000,00 EUR zu bemessen gewesen wäre, da der für Anträge des Gläubigers in § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG bestimmte Höchstwert von 2.000,00 EUR für Anträge des Schuldners gerade nicht gilt.
c) Unterbliebene Bewertung des Antrags auf Löschung im Schuldnerverzeichnis
Mit ihrer Rechtsbeschwerde hatte die Schuldnerin auch begehrt, ihre Eintragung im Schuldnerverzeichnis löschen zu lassen. Hierüber hatte der I. ZS des BGH in seinem Beschl. v. 20.10.2021 auch insoweit entschieden, als er die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin als unzulässig verworfen hat. Selbstverständlich hätte auch dieser Antrag bei der Festsetzung des Gegenstandswertes berücksichtigt werden müssen, was die Einzelrichterin des BGH übersehen hat. Auch hier würde sich der Gegenstandswert wiederum nach § 25 Abs. 2 RVG bestimmen, der auch den Antrag des Schuldners auf Löschung im Schuldnerverzeichnis nach § 882e ZPO miterfasst (s. AnwK-RVG/Volpert, 9. Aufl., 2021, § 25 Rn 84). Die Gegenstandswerte für beide Anträge wären dann zu addieren.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 5/2022, S. 235 - 237