1. Festsetzung des Gegenstandswertes
Es ist zweifelhaft, ob im Fall des BGH überhaupt die Voraussetzungen für die Festsetzung des Gegenstandswertes gegeben sind. Gem. § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs – hier also der BGH – den Gegenstandswert auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder es an einem solchen Wert fehlt. Bereits diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, da der BGH ja auf die Streitwertregelung in § 49a Abs. 1 GKG zurückgegriffen hat. Ferner lässt sich den Beschlussgründen nicht entnehmen, welcher Rechtsanwalt den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes gestellt hatte. Dies wäre aber wichtig gewesen, weil auch die Festsetzung des Gegenstandswertes nur für denjenigen Rechtsanwalt erfolgt, der den Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG gestellt hat (s. KG AGS 2021, 281 [Hansens] = zfs 2022, 46 m. Anm. Hansens).
Möglicherweise wollte der BGH jedoch entgegen seinen anders lautenden Formulierungen nur den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert festsetzen. Dies könnte man aus dem amtlichen Leitsatz folgern, in dem von der Bemessung des Streitwertes die Rede ist. Im Tenor seiner Entscheidung und in den Beschlussgründen hat der BGH jedoch von der Festsetzung des Gegenstandswertes gesprochen. Solche Verwechslungen sollten einem obersten Bundesgericht nicht passieren.
2. Übergangsrecht
Für das Übergangsrecht bei Anwendung des GKG hat der Gesetzgeber die allgemeine Übergangsregelung des § 71 GKG geschaffen. In Anwendung dieser Übergangsregelung würde sich der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach dem ab 1.12.2020 geltenden Recht richten. Die vom BGH herangezogene Übergangsregelung des § 58 Abs. 5 WEG betrifft hingegen das Verfahrensrecht nach dem WEG und erklärt die Vorschriften des dritten Teils des WEG für die bereits vor dem 1.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren als weiter anwendbar. Von Streitwertvorschriften steht in dieser Übergangsregelung nichts.
Der BGH hat in seiner Entscheidung auch die grundlegenden Voraussetzungen für die analoge Anwendung einer Gesetzesvorschrift nicht berücksichtigt. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass das geltende Recht den betreffenden Sachverhalt nicht regelt, mithin eine Gesetzeslücke vorliegt. Eine solche Gesetzeslücke besteht jedoch nicht, da § 71 Abs. 1 S. 2 GKG gerade den vorliegenden Fall ausdrücklich regelt.
Auch der Wortlaut des in Anwendung des § 71 Abs. 1 S. 2 GKG anwendbaren § 49 GKG n.F. spricht nicht gegen die Anwendung des neuen Streitwertrechts. Zwar regelt diese Vorschrift den Streitwert in Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG (in der ab 1.12.2020 geltenden Fassung). Die amtliche Überschrift des § 49 GKG "Beschlussklagen nach dem Wohnungseigentumsgesetz" lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass diese Streitwertvorschrift Beschlussklagen erfasst, in Übergangsfällen also auch solche, die früher in § 46 WEG a.F. geregelt waren.
Zusammenfassend ist festzustellen: Welche Fassung des GKG in Übergangsfällen und somit auch in diesem vom BGH entschiedenen Fall anzuwenden ist, ergibt sich eindeutig aus § 71 Abs. 1 S. 1 GKG. Der BGH hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht auszuführen, dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung einer lediglich das Verfahrensrecht betreffenden Vorschrift vorliegen. Hätte der BGH sauber gearbeitet, hätte er sich eingestehen müssen, dass für eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 5 WEG kein Raum ist. Damit hat sich der BGH gewissermaßen zum Gesetzgeber aufgespielt. Seine Zielsetzung war es erklärtermaßen, den Verfahrensbevollmächtigten der Parteien in dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren keine – nach Auffassung des BGH – überhöhte Vergütung zukommen zu lassen, weil sich bei Anwendung des im Fall an sich einschlägigen neuen Streitwertrechtes ein höherer Streit- und damit auch Gegenstandswert ergeben würde.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 5/2022, S. 233 - 235