Nrn. 1210, 1211 GKG KV
Leitsatz
- Die beim Gericht entstandene Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1210 GKG KV ermäßigt sich nicht, wenn der Kläger zwar seine Klage insgesamt zurückgenommen hat, das Gericht zuvor jedoch der Widerklage durch Teilurteil stattgegeben hat.
- In diesem Fall ist die Ermäßigung der Verfahrensgebühr ausgeschlossen, da diese einheitlich zu berechnen ist. Eine Berücksichtigung des Wertverhältnisses von Klage und mit Teilurteil erledigter Widerklage und damit eine Aufspaltung der einheitlichen Verfahrensgebühr kommt somit nicht in Betracht.
OLG München, Beschl. v. 28.1.2022 – 11 W 6/22
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte vor dem LG Landshut mit Klageschrift vom 23.12.2014 Ansprüche aus einer Partnerschaft von Rechtsanwälten gegen den Beklagten als deren ehemaligen Mitglied geltend gemacht. Der Beklagte erhob am 3.3.2016 Widerklage mit dem Ziel der Einsicht in bestimmte Abrechnungsbelege. Durch Teilurteil vom 10.11.2016 gab das LG der Widerklage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb beim OLG München ohne Erfolg. Am 21.7.2021 nahm der Kläger seine Klage zurück. Durch Schlussurteil vom 27.8.2021 hat das LG Landshut dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Durch Beschl. v. selben Tage setzte das LG den Streitwert für die zurückgenommene Klage auf 690.226,72 EUR, für die Widerklage auf 10.000 EUR fest, insgesamt somit auf 700.226,72. Durch Beschl. v. 29.9.2021 korrigierte das LG seinen Streitwertfestsetzungsbeschluss dahin, dass der Streitwert bis zur Klagerücknahme 700.226,72 EUR betrage, ab diesem Zeitpunkt nur noch 10.000,00 EUR.
Hieraufhin setzte der Kostenbeamte des LG gegen den Kläger nach einem Streitwert von 700.226,72 EUR eine 3,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 GKG KV an. Mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung hat der Kläger geltend gemacht, der Kostenbeamte hätte zwischen den Streitwerten für die Klage einerseits und die Widerklage andererseits differenzieren müssen. Die 3,0-Verfahrensgebühr sei lediglich aus dem Streitwert der Widerklage berechtigt, während hinsichtlich der Klagerücknahme nur eine 1,0-Verfahrensgebühr angesetzt werden dürfe.
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das LG Landshut hat die Erinnerung des Klägers zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte beim OLG München keinen Erfolg.
II. Anfall der gerichtlichen Verfahrensgebühr und Kostenschuldner
Die 3,0-Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1210 GKG fällt gem. § 6 Abs. 1 S. 1 GKG mit Einreichung der Klageschrift an und wird gleichzeitig fällig. Nach der etwas missverständlichen Streitwertfestsetzung des LG Landshut ist mit Eingang der Klageschrift vom 23.12.2014 die 3,0-Verfahrensgebühr nach einem Streitwert von 690.226,72 EUR angefallen. Kostenschuldner hierfür ist gem. § 22 Abs. 1 S. 1 GKG der Kläger als Antragsteller der Instanz, weil er die Klageschrift eingereicht hat. Mit Eingang der Widerklage hat sich der Streitwert nach der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung um 10.000,00 EUR erhöht. Die Einzelwerte sind gem. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zusammen zu rechnen, sodass sich der Gesamtstreitwert nach der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung auf 700.226,72 EUR bemisst. Für den durch die Einreichung der Widerklage angefallenen Teil der gerichtlichen Verfahrensgebühr haftet der Beklagte seinerseits als Antragsteller der Instanz nach § 22 Abs. 1 S. 1 GKG. Seine Haftung wird damit wie bei einer isolierten Klage berechnet. Folglich haftet der Widerkläger für die gerichtliche Verfahrensgebühr (und ggf. für die dadurch ausgelösten gerichtlichen Auslagen), die auf den Streitwert der Widerklage entfallen (OLG Düsseldorf JurBüro 2002, 83). Gem. § 35 GKG kann die Staatskasse insgesamt nur die nach dem zusammengerechneten Wert angefallene Verfahrensgebühr fordern. Da der Kläger hier aufgrund der Kostenentscheidung im landgerichtlichen Schlussurteil vom 27.8.2021 die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, haftet der Kläger – soweit nicht bereits seine Antragstellerhaftung eingreift – für die durch Einreichung der Widerklage ausgelösten Mehrkosten als Entscheidungsschuldner gem. § 29 Nr. 1 GKG.
Folgerichtig hat deshalb der Kostenbeamte den Kläger für die gesamte gerichtliche Verfahrensgebühr in Anspruch genommen.
III. Ermäßigung der Verfahrensgebühr
1. Gesetzliche Grundlagen
Die zunächst nach einem Gebührensatz von 3,0 angefallene Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen kann sich auf den Satz von 1,0 ermäßigen, wenn einer oder in Kombination mehrere der in Nr. 1211 GKG KV aufgeführten Ermäßigungstatbestände vorliegt/vorliegen. Der Kläger hatte sich hier auf die Vorschrift in Nr. 1211 Nr. 1a GKG KV bezogen, wonach bei Beendigung des gesamten Verfahrens durch Zurücknahme der Klage die Ermäßigung der Verfahrensgebühr auf den Satz von 1,0 erfolgt. Die Ermäßigung tritt in einem solchen Fall allerdings dann nicht ein, wenn bereits ein anderes als eins der in Nr. 2 genannten Urteile (Anerkenntnisurteil, Verzichtsurteil, Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) der Klagerücknahme vorausgegangen ist.
2. Die Umstände im Fall des OLG München
Nach Auffassung des OLG Münc...