§§ 5 Abs. 1, 305 InsO
Leitsatz
- Das Insolvenzgericht ist zu einer inhaltlichen Überprüfung der Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches nach § 305 InsO nicht berufen.
- Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 5 Abs. 1 InsO beschränkt sich auf die Verwendung der amtlichen Formulare.
BGH, Beschl. v. 24.2.2022 – IX ZB 5/21
I. Sachverhalt
Im Januar 2019 wurde durch die Antragstellerin unter Beifügung einer Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt. Eine persönliche Beratung hatte nicht stattgefunden, stattdessen war eine Beratung nur schriftlich und fernmündlich erfolgt. Das Insolvenzgericht wies den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ließ das LG nicht zu. Auf die Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin hob das BVerfG mit Beschl. v. 4.9.2020 (2 BvR 1206/19, ZVI 2020, 424) die Entscheidung des LG wegen einer Verletzung des Grundrechts der Antragstellerin auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes auf und verwies die Sache an das LG zurück. Hier wurde die sofortige Beschwerde erneut zurückgewiesen. Mit der nun vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde wurde die Sache dann dem BGH vorgelegt, welcher letztlich der Antragstellering Recht gab und die Zurückweisung fußend auf der inhaltlichen Überprüfung des außergerichtlichen Einigungsversuches abgelehnt.
II. Streitige Rechtslage
Der BGH wies zunächst auf die streitige Rechtslage hin. Nach einer Auffassung haben die Insolvenzgerichte die Befugnis, die Bescheinigung daraufhin zu überprüfen, ob die geeignete Stelle oder Person den Schuldner persönlich beraten hat. Insbesondere seit dem Gesetz zur Verkürzung des RSB Verfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 (BGBl I, 2379), wonach das Gesetz gegenüber der vorherigen Lage um den Passus "auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners" ergänzt worden sei, müsse eine inhaltliche Prüfung der Richtigkeit dieses Petitums erfolgen, teilweise stets, weil es sich bei dem außergerichtlichen Einigungsversuch um eine Zulässigkeitsvoraussetzung handele, die das Insolvenzgericht von Amts wegen zu prüfen habe (AG Fürth ZVI 2017, 192; MüKo-InsO/Vuia, 4. Aufl., 2022, § 305 Rn 98; Entschließung des BAKinso ZInsO 2014, 2565), auf jeden Fall aber wenn sich Indizien – wie eine weite Entfernung zwischen Rechtsuchenden und Anwalt – ergeben (LG Köln NZI 2016, 171, 172; LG Düsseldorf ZVI 2017, 145, 146; AG Potsdam ZInsO 2015, 599, 600; AG Kaiserslautern ZVI 2016, 320, 321; Frind, ZInsO 2016, 307, 309). Der BGH jedoch schloss sich der anderen Auffassung an, wonach eine inhaltliche Überprüfung der Bescheinigung durch die Insolvenzgerichte zur Gänze abgelehnt wird (Uhlenbruck/Sternal, InsO, 15. Aufl., 2020, § 305 Rn 124; Zipperer, ZVI 2015, 363, 366; Schmidt, ZVI 2017, 129).
III. Keine inhaltliche Prüfungspflicht
Nach § 305 Abs. 5 InsO habe der Schuldner mit Verfahrenseröffnung einen Nachweis mittels Formblatt zu führen, wonach ein außergerichtlicher Einigungsversuch innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Antrag erfolglos unternommen worden ist. Diese Bescheinigung muss dabei von einer geeigneten Stelle ausgestellt worden sein. Der BGH ist dabei der Ansicht, dass der Gesetzgeber folglich die inhaltliche Prüfung und Ausgestaltung in die Hände dieser "geeigneten Stellen" selbst legt, mithin dem Gericht nur ein formales Prüfungsrecht zubilligt. Nämlich, ob das entsprechende Formblatt beigefügt ist.
IV. Materielle Prüfungspflicht bei den geeigneten Stellen
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO des Gesetzes zur Verkürzung des RSB Verfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte sah vor, dass vom Schuldner eine Bescheinigung vorzulegen sei, die von einer geeigneten Person oder Stelle "auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt ist und aus der sich ergibt, dass innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans erfolglos versucht worden ist oder eine außergerichtliche Einigung offensichtlich aussichtslos war" (BT-Drucks 17/11268, 9). Dieser Entwurf sah eine Überprüfungsmöglichkeit des außergerichtlichen Einigungsversuches durch die Gerichte dann vor, wenn eine Aussichtslosigkeit bestanden hätte. Das Vorhaben wurde jedoch nicht umgesetzt, stattdessen sollte alles "wie bislang" verbleiben (BT-Drucks 17/11268, 33 f.). Zwar wurde die vorgeschlagene Ergänzung des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO um den Passus "auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners" Gesetz, allerdings ergebe sich daraus keine Legitimation der Gerichte, eine inhaltliche Prüfung der vom Schuldner vorzulegenden Bescheinigung vorzunehmen. Vielm...