Nr. 4142 VV RVG
Leitsatz
Die Gebühr Nr. 4142 VV entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setzt der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit voraus, sondern kann auch im Falle außergerichtlichen Beratung in Ansatz gebracht werden, sofern diese zumindest nach Aktenlage geboten ist.
LG Braunschweig, Beschl. v. 14.12.2021 – 116 KLs 206 Js 37825/15 (57/18)
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger der Verurteilten. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren hat er auch eine Verfahrensgebühr für Einziehung und verwandte Maßnahmen nach Nr. 4142 VV geltend gemacht, und zwar 467,00 EUR für einen über 30.000,00 EUR liegenden Gegenstandswert. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Gebühr nicht festgesetzt. Begründet hat sie dies damit, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung v. 4.10.2018 unter Ziffer 3 von einer Einziehung gem. § 421 Abs. 3 StPO abgesehen hat. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Rechtsanwalts hatte Erfolg.
II. Gebotene Beratung der Mandantin?
Nach Auffassung des LG liegen die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes Nr. 4142 VV vor. Danach entsteht die zusätzliche Verfahrensgebühr u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setze – so das LG – der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit voraus, sondern könne auch im Falle außergerichtlichen Beratung in Ansatz gebracht werden, sofern diese zumindest nach Aktenlage geboten seit (LG Amberg StRR Sonderausgabe 7/2019, 12 = RVGreport 2019, 354).
Die Beratung hinsichtlich einer möglichen Einziehung sei vorliegend nach Aktenlage geboten gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe zwar mit Abschlussverfügung vom 4.10.2018 gem. § 421 Abs. 3 StPO von einer Einziehung abgesehen. Jedoch habe sich der Rechtsanwalt bereits mit Schreiben vom 27.7.2016 für die mittlerweile Verurteilte legitimiert. Zudem sei ihm mit Verfügung vom 4.11.2016 Akteneinsicht gewährt worden. Zu diesem Zeitpunkt, der deutlich vor dem zuvor genannten Zeitpunkt der Abschlussverfügung liege, sei nach Aktenlage eine Einziehung von Vermögenswerten naheliegend gewesen. Aufgrund der Angabe "mögliche Einziehung d. Wertes d. Erlangten, Erörterung mit der Mandantin" des Erinnerungsführers in seinem Festsetzungsantrag vom 2.10.2020 zur Begründung der Gebühr und mangels anderslautender Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass der Erinnerungsführer die Verurteilte bereits 2016 erstmals hinsichtlich einer Einziehung von Vermögenswerten beraten habe. Bei einer lebensnahen Betrachtungsweise sei dies auch zur gewissenhaften Erfüllung seiner Tätigkeit als Verteidiger erforderlich gewesen, da zu diesem Zeitpunkt mit einem entsprechenden Einziehungsantrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung zu rechnen gewesen sei, da eine Einziehungssumme von ca. 428.000,00 EUR im Raum gestanden habe (OLG Karlsruhe AGS 2008, 30).
III. Gegenstandswert
Den für die Höhe der 1,0-Gebühr Nr. 4142 VV maßgeblichen Gegenstandswert (§§ 13, 49 RVG) hat das LG auf über 50.000,00 EUR bemessen. Entscheidend sei der objektive Wert, welcher sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Einziehung bemesse (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 4142 Rn 19). Da im Zeitpunkt vor Anklageerhebung von einer Einziehungssumme i.H.v. ca. 428.000,00 EUR auszugehen gewesen sei, liege der Gegenstandswert über 50.000,00 EUR, sodass, abweichend von dem Antrag des Rechtsanwalts i.H.v. 467,00 EUR, die festzusetzende Gebühr 659,00 EUR nebst 16 % Umsatzsteuer betrage.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Anfall der Verfahrensgebühr
Hinsichtlich der Ausführungen des LG zum Anfall der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV ist dem LG zuzustimmen. Es kommt nicht darauf an, ob sich die vom Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeit im Hinblick auf die Einziehung aus der Akte ergibt oder nicht. Es handelt sich bei der Nr. 4142 VV um eine grds. normale Verfahrensgebühr, für die die allgemeinen Regeln gelten. D.h., dass die Gebühr für jede Tätigkeit des Rechtsanwalts entsteht, die er für seinen Mandanten erbringt (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4142 VV Rn 13 ff., 18 ff.). Sie entsteht also für jede gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeit, wozu eben auch die sich nicht aus den Akten ergebende Beratung des Mandanten gehört.
Die Rspr. stellt in dem Zusammenhang – so auch das LG – darauf ab, dass die Beratung nach Aktenlage geboten sein muss (vgl. die Nachw. bei Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4142 VV Rn 23), was immer dann der Fall ist, wenn die Einziehung nahe liegt. Dass das hier der Fall war, ergibt sich allein schon daraus, dass die Staatsanwaltschaft in der Abschlussverfügung von der Einziehung gem. § 421 Abs. 3 StPO abgesehen hat. Dieses Absehen lässt i.Ü. nicht die bereits entstandene Gebühr nachträglich entfallen. Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG.
2. Gegenstandswert
Hinsichtlich des für die Berechnung der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV maßgeblichen Gegenstandswertes dürfte dem LG jed...