§ 33 RVG; §§ 39, 40, 63 Abs. 1 S. 1, 68 GKG; §§ 103, 104 Abs. 2 S. 3 ZPO
Leitsatz
- Kommt es bei den Anwaltsgebühren infolge einer Teilklagerücknahme zu unterschiedlichen Werten für einzelne Gebühren, so etwa für die Verfahrensgebühr einerseits und die Terminsgebühr andererseits, ist diese Frage weder im Wege des auf den Streitwert bezogenen Beschwerdeverfahrens nach § 68 GKG noch im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO zu klären.
- Vielmehr ist in einem solchen Fall das Kostenfestsetzungsverfahren zwingend auszusetzen und auf Antrag das gesonderte Verfahren auf Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 RVG einzuleiten.
- Ein solcher Antrag kann in einem auf eine gestaffelte Streitwertfestsetzung gerichteten Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten einer Partei gesehen werden.
- Die Richtigkeit der Angabe des Erstattungsberechtigten nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO, den angemeldeten Umsatzsteuerbetrag nicht zum Vorsteuerabzug verwenden zu können, ist ausnahmsweise dann nicht zu berücksichtigen, wenn sich die offensichtliche Unrichtigkeit der Erklärung aus dem Gericht bekannten Umständen nach Aktenlage zweifelsfrei ergibt. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn eine Partei erklärt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, aus den Prozessakten aber ersichtlich ist, dass sie einen Gewerbebetrieb unterhält und darauf resultierende Ansprüche den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.3.2023 – 6 W 19/23
I. Sachverhalt
Die Klägerin hatte ihre vor dem LG Potsdam erhobene Klage vor Klagezustellung teilweise zurückgenommen. Nach Beendigung des Rechtsstreits hat der Beklagte aufgrund der ihm günstigen Kostenentscheidung unter Berücksichtigung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung die Festsetzung seiner Kosten gegen die Klägerin beantragt. Am. 10.8.2022 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte wegen der teilweisen Klagerücknahme eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung beantragt. Das LG Potsdam hat durch den Einzelrichter den Antrag auf gestaffelte Wertfestsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwertes durch Beschl. v. 5.9.2022 abgelehnt.
In der Zwischenzeit hat der Rechtspfleger des LG Potsdam die Kosten durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.2.2023 gegen die Klägerin festgesetzt. Hiergegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Diese führte zur Aussetzung des Kostenfestsetzungsverfahrens durch das OLG Brandenburg.
II. Keine gestaffelte Streitwertfestsetzung
Das OLG Brandenburg hat zunächst die Auffassung des LG Potsdam – Einzelrichter – geteilt, die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragte gestaffelte Festsetzung des Streitwertes sei unzulässig. Dies hat das OLG damit begründet, die Streitwertfestsetzung diene gem. § 63 Abs. 1 S. 1 GKG lediglich der Bemessung der Gerichtsgebühren (KG AGS 2018, 344; OLG Bremen AGS 2022, 92 [N. Schneider]; OLG München AGS 2017, 336). Vielmehr sei – wie es hier auch geschehen war – ein einheitlicher Streitwert für das gesamte Verfahren festzusetzen. Für den Streitwert sei dabei gem. § 39 Abs. 1 GKG die Summe aller Gegenstände maßgebend, die im Laufe des Verfahrens anhängig gemacht worden seien. Für die Wertberechnung sei gem. § 40 GKG der Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung maßgeblich. Folglich komme es für die erste Instanz auf den Eingang der Klageschrift an (KG und OLG Bremen, je a.a.O.). Die hier noch vor Klagezustellung, aber nach Klageeingang erfolgte Teilklagerücknahme hatte nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg keine Auswirkungen auf die bereits mit Anhängigkeit des Rechtsstreits begründete Höhe der Gerichtsgebühren. Deshalb sei die Reduzierung des Streitwertes infolge der Teilklagerücknahme bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.
III. Umdeutung des Streitwertfestsetzungsantrags
1. Auslegung als Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes
Das OLG Brandenburg weist darauf hin, dass das LG Potsdam den auf eine gestaffelte Festsetzung des Streitwertes gerichteten Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei richtiger Sachbehandlung nicht als sachlich unbegründete Streitwertbeschwerde, sondern sachgerecht als Antrag der Rechtsanwältin auf gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 Abs. 1 RVG hätte auslegen müssen.
Wenn es bei den Anwaltsgebühren infolge einer Teilklagerücknahme zu unterschiedlichen Werten für einzelne Gebühren führe, so etwa für die Verfahrensgebühr einerseits und die Terminsgebühr andererseits, sei diese Frage weder im Wege des auf den Streitwert bezogenen Beschwerdeverfahrens nach § 68 GKG noch im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO zu klären. In einem solchen Fall sei das Kostenfestsetzungsverfahren vielmehr zwingend auszusetzen und auf Antrag das gesonderte Verfahren auf Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 RVG einzuleiten (OLG Düsseldorf AGS 2010, 568). Ein solcher Antrag sei hier sinngemäß bereits mit dem auf eine gestaffelte Streitwertfestsetzung gerichteten Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10.8.2022 erfolgt. Antragsberechtigt seien nicht nur der Rechtsanwalt, dessen Gebüh...