Die Entscheidung ist m.E. zutreffend (zu Nr. 4102 VV eingehend Burhoff, AGS 2022, 241).
1. Die Rspr. hatte bisher zu der Frage, wann eine Vernehmung i.S.d. Nr. 4102 Nr. 2 VV vorliegt – die Frage stellt sich ggf. auch bei Nr. 4102 Nr. 1 VV – noch nicht Stellung genommen. Die Entscheidung ist – soweit ersichtlich – die erste, die diese Frage behandelt. In der Lit. (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4102 VV Rn 21) ist man – wie auch das LG nun – davon ausgegangen, dass es sich um einen "Vernehmungstermin" i.e.S. handeln muss und nicht bloß um eine informatorische Anhörung (zum Vernehmungsbegriff Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 4731 ff. m.w.N.). Zutreffend stellt das LG in dem Zusammenhang darauf ab, dass der Vernehmende in offizieller Funktion vom Vernommenen eine Auskunft "erbittet" bzw. diesen anhört. So wird der Begriff der "Vernehmung" in der StPO verstanden und so kann und muss er auch im Rahmen der Nr. 4102 VV verstanden werden.
2. Auch gegen die Höhe der Gebühr wird man nichts einwenden können. Allerdings ist der Ausgangpunkt für die landgerichtliche Bemessung falsch. Das LG geht – so ist m.E. die Entscheidung zu verstehen – von einem Gebührenrahmen von 44,00 EUR bis 330,00 EUR aus. Das ist aber der Gebührenrahmen, der nach neuem Recht nach dem KostRÄG 2021 erst ab 1.1.2021 anzuwenden wäre. Anzuwenden dürfte hier aber altes Recht sein. Danach betrug der Gebührenrahmen nur 40,00 EUR bis 300,00 EUR, d.h. die Mittelgebühr der Nr. 4102 VV betrug bis zum 31.1.2020 170,00 EUR.
Folglich sind nach dem mitgeteilten Sachverhalt m.E. keine Umstände erkennbar, die ein Überschreiten der Mittelgebühr von 170,00 EUR bis zu den geltend gemachten 245,00 EUR rechtfertigen würden. Der allgemeine Umfang der Angelegenheit, der auch bei der Terminsgebühr eine Rolle spielt, war nach den Ausführungen des LG unterdurchschnittlich. Geht man davon aus, dass bei Vernehmungen eine Terminsdauer von bis zu einer Stunde als normal/durchschnittlich anzusehen ist (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4102 VV Rn 64), ist das Unterschreiten der Mittelgebühr gerechtfertigt. Dabei darf nämlich auch nicht übersehen werden, dass nach der Anm. S. 2 zur Nr. 4102 VV die Gebühr für bis drei Termine/Rechtszug anfällt. Hier hat es sich aber nur um einen Termin von 15 Minuten Dauer gehandelt.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 5/2023, S. 220 - 221