Prof. Dr. Matthias Kilian, Die Erhöhung der RVG-Gebühren – Alternativen zum Bittstellertum?, AnwBl. 2023, 168
Aufgrund der inflationsbedingt stark gestiegenen Kosten in den Anwaltskanzleien und den zunehmenden Aufwendungen beim Personal wird in der Praxis nur rund zwei Jahre nach der letzten Anhebung der Anwaltsgebühren und -auslagen eine erneute Anhebung der Anwaltsvergütung diskutiert. Folglich wird von den Vertretungen der Anwaltschaft, wie vom DAV und der BRAK, eine Anpassung der Anwaltsvergütung gefordert.
Kilian berichtet in seinem Beitrag, dass bereits die Vorbereitungen für eine entsprechende Novellierung des RVG laufen würden. Bisher seien die Anhebungen der Anwaltsgebühren und -auslagen meist im Abstand von 8 bis 10 Jahren erfolgt, sodass die Einkommensentwicklung bei der Anwaltschaft den Kostenentwicklungen meist erheblich hinterherlief. Insbesondere im Verhältnis zu den anderen volljuristischen Berufen wie Richtern, Staatsanwälten oder Verwaltungsbeamten, die an der kontinuierlichen Gehaltsentwicklung des öffentlichen Dienstes teilhaben, würden die Rechtsanwälte benachteiligt. Die unbefriedigende Einkommensseite gehe zudem daher mit kontinuierlich steigenden Betriebskosten, die die Anwälte erwirtschaften müssen.
Kilian weist in seinem Beitrag darauf hin, dass durchschnittlich 40 % der Betriebskosten in deutschen Anwaltskanzleien auf das Personal, weitere 22 % auf Mieten und 8 % auf Fremdleistungen entfallen würden. Demgegenüber ließen sich nach den weiteren Ausführungen des Autors Einkommenszuwächse bei den Rechtsanwälten infolge eines verstärkten Abschlusses von Vergütungsvereinbarungen sowie eine Anhebung der sich nach dem Gegenstandswert berechnenden Gebühren aufgrund einer kontinuierlichen Steigerung der Gegenstandswerte kaum erzielen. Dies habe zur Folge, dass die stetig steigenden Betriebskosten letztlich nur durch einen Verzicht der Rechtsanwälte auf ihre Einkommen oder durch eine restriktive Lohnpolitik gegenüber den Angestellten aufgefangen werden könnten. Nachteilig wirken sich für die Anwaltschaft auch die auf den ersten Blick üppigen Erhöhungen der Vergütungen – im Jahr 2014 um rund 18 % im Jahr 2021 und um rund 10 % – aus. Dabei werde in der Öffentlichkeit nicht berücksichtigt, dass diese auf den ersten Blick hohen Zuwächse nur die Mindereinnahmen der letzten Jahre ausgleichen konnten. Außerdem werde in der Öffentlichkeit kaum beachtet, dass die Anhebungen der Anwaltsvergütung im Verhältnis zur allgemeinen Kostenentwicklung und im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sehr moderat gewesen seien.
In seinem Beitrag stellt der Autor deshalb die Frage, ob es Alternativen zur bisher gehandhabten gesetzlichen Anhebung der Anwaltsgebühren in verhältnismäßig großen Abständen gibt. So sei in anderen Rechtsordnungen eine Dynamisierung der Anwaltsvergütung und der Kosten der Justiz geregelt. Bspw. werde in der Slowakei ein Ausgangswert an die allgemeine Lohnentwicklung in bestimmten Berufen gekoppelt. Teilweise werde die Anwaltsvergütung entsprechend der Entwicklung ausgewählter Preise und Leistungen in einem anwaltstypischen Umfeld angepasst. In den Niederlanden würde die Anhebung der Anwaltsvergütung einem eigenständigen Index folgen, der aus einer Kombination mehrerer gebräuchlicher Indizes gebildet werde. In Nordirland hat der Gesetzgeber nach den weiteren Ausführungen Kilians eine Pflicht zu einer regelmäßigen Erhöhung der Anwaltsvergütung begründet. In Australien werde teilweise eine automatische Anpassung vorgenommen.
Kilian stellt in seinem Beitrag deshalb die Frage, ob eine Übernahme solcher Anpassungsmodalitäten in das deutsche Vergütungsrecht der Rechtsanwälte in Betracht kommt. Hierzu verweist der Autor auf eine Umfrage des Soldan Instituts, das im Rahmen seines Berufsrechtsbarometers im Jahr 2021 2770 Anwälte um ihre Meinung gebeten habe, wie aus ihrer Sicht die Erhöhung von Anwaltsgebühren künftig gelöst werden könne. Hierzu hätten sich insgesamt 2.358 Anwälte geäußert. Nur 16 % der an der Studie teilnehmenden Anwälte hätten für eine Beibehaltung der bisherigen Praxis, also für eine Anpassung in unregelmäßigen Abständen plädiert. 18 % der Teilnehmer hätten sich für eine gesetzliche Verpflichtung zur Anpassung der Gebühren in jeder Legislaturperiode ausgesprochen. Die überwiegende Mehrheit mit 60 % hätte eine jährliche Anpassung der Gebühren durch Ankopplung an einen geeigneten Kostenindex bevorzugt.
Kilian berichtet in seinem Beitrag, dass das Alter der befragten Rechtsanwälte einen erheblichen Einfluss auf deren Einstellung zur Problematik gehabt habe. Bei den über 70jährigen Anwälten würden 31 % für die Beibehaltung der bisherigen Praxis sprechen, bei den unter 40jährigen hingegen nur 13 %. 52 % der älteren Anwälte hätten sich für eine Ankopplung an einen Index ausgesprochen, während es bei den jüngeren Anwälten sogar 71 % gewesen seien. Weitere Unterschiede würden sich aus der Struktur der Anwaltskanzleien ("Verbraucher"-Kanzleien oder Fachanwälte) ergeben.
Diplom-Rechtspfleger Hagen Sc...