§ 4 Abs. 4 S. 2 JVEG
Leitsatz
Zuständiges Beschwerdegericht nach § 4 Abs. 4 S. 2 JVEG ist auch dann das LG und nicht das OLG (Familiensenat), wenn das zugrundeliegende Verfahren vor dem Familiengericht geführt worden ist.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.3.2023 – 6 WF 47/23
I. Sachverhalt
Das FamG hatte in einer Kindschaftssache einen Sachverständigen mit der Erstellung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Für das Gutachten hatte der Sachverständige gegenüber der Landeskasse 14.973,92 EUR und für eine anschließende Terminswahrnehmung weitere 446,39 EUR abgerechnet. Die Landeskasse war damit nicht einverstanden, da die Sachverständigenvergütung maximal das Doppelte des Verfahrenswertes zzgl. Umsatzsteuer betragen dürfe. Ausgehend vom Regelwert in Kindschaftssachen hat sie einen Betrag i.H.v. 9.250,00 EUR errechnet. Damit war der Sachverständige jedoch nicht einverstanden. Die Landeskasse hat daraufhin einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Vergütung gestellt und geltend gemacht, zu zahlen sei nur ein Betrag i.H.v. 9.520,00 EUR. Ergänzend hat sie ihren Antrag damit begründet, dass der Sachverständige nicht darauf hingewiesen habe, dass die zu erwartenden Kosten voraussichtlich erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstands stehen würden. Das FamG hat die Vergütung entsprechend den beiden Rechnungen des Sachverständigen mit insgesamt 15.420,01 EUR festgesetzt. Dagegen hat die Landeskasse Beschwerde erhoben. Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG (Familiensenat) vorgelegt. Der Senat hat die Vorlageverfügung des FamG aufgehoben und die Sache dorthin zurückgegeben.
II. OLG ist nicht nächsthöheres Gericht
Über die Beschwerde nach § 4 Abs. 3 JVEG hat gem. § 4 Abs. 4 S. 2 JVEG "das nächsthöhere Gericht" zu entscheiden. Dabei handelt es sich unabhängig vom dem in der Hauptsache geltenden Instanzenzug um das allgemein dem erkennenden Gericht übergeordnete Gericht. Das ist für das AG nach der Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit das für seinen Bezirk zuständige LG. Entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1a und b GVG gilt dies auch dann, wenn das AG als Familiengericht entschieden hat.
III. Keine Ausnahmeregelung in JVEG
Im Gegensatz zu § 33 Abs. 4 S. 2 RVG und § 57 Abs. 3 FamGKG enthält die Vorschrift des § 4 Abs. 4 JVEG keine Ausnahmeregelung für Familiensachen. Zum anderen ergibt sich auch aus der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts zu § 4 JVEG (BT-Drucks 15/1971, 180), dass der Gesetzgeber kein Bedürfnis für eine Ausnahmeregelung gesehen hat. Vielmehr hat er ausdrücklich festgestellt, dass in § 4 Abs. 4 JVEG eine Bestimmung fehlt, wonach in Familiensachen das OLG auch dann als Beschwerdegericht entscheiden solle, wenn ein Familiengericht die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Dies hat seinen Grund darin, dass die im Bereich des JVEG zu treffenden Beschwerdeentscheidungen jedenfalls nicht in gleichem Maße besondere Kenntnisse des Familienrechts voraussetzen, wie dies für den Bereich des GKG – insbesondere im Zusammenhang mit der Wertfestsetzung – gilt.
IV. Rückgabe an das JVEG
Mangels Zuständigkeit des OLG als Rechtsmittelgericht war die Sache daher an das FamG zurückzugeben, damit dieses die Beschwerde sodann dem sachlich zuständigen LG vorlegt.
V. Bedeutung für die Praxis
1. Einhellige Rechtsprechung
Die Entscheidung ist zutreffend. Unter dem "nächsthöheren Gericht" im Rahmen einer Beschwerde nach dem JVEG ist nach fast einhelliger Rspr. auch dann, wenn das AG als Familiengericht entschieden hat, das LG als Beschwerdegericht zuständig (OLG Brandenburg FamRZ 2020, 707; OLG Nürnberg FamRZ 2017, 470; OLG Celle FamRZ 2013, 1512; OLG Frankfurt AGS 2015, 406; OLG Celle NJW-RR 2013, 961; OLG Schleswig SchlHA 2011, 382; OLG München FamRZ 2011, 844; KG FamRZ 2008, 1101). Anderer Auffassung ist lediglich das OLG Koblenz (MDR 2014, 276), das in diesem Fall das OLG (Familiensenat) als zuständig ansieht.
2. Vergleichbare Rechtslage in anderen Verfahren
Die gleiche Rechtslage gilt auch in anderen Fällen, in denen der Instanzenzug vom AG unmittelbar zum OLG geht, wie z.B. in Landwirtschaftssachen (§ 2 Abs. 1 S. 3 LwVfG).
3. OLG ist als weiteres Beschwerdegericht zuständig
Folgt man der h.M., kann das OLG allerdings im Rahmen der weiteren Beschwerde nach § 4 Abs. 5 S. 1 JVEG befasst werden (§ 4 Abs. 5 S. JVEG). Diese Beschwerde ist allerdings nur zulässig, wenn das LG sie zugelassen hat (§ 4 Abs. 5 2 JVEG). Zuständig ist dann aber auch ein allgemeiner Zivilsenat und nicht ein Familiensenat oder der Senat für Landwirtschaftssachen.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 5/2023, S. 240