§ 33 RVG

Leitsatz

Sind mehrere Streitgenossen am Gesamtstreitwert unterschiedlich beteiligt, so sind auf deren Anträge hin die Gegenstandswerte der jeweiligen anwaltlichen Tätigkeit ihnen gegenüber gesondert festzusetzen.

LG Essen, Beschl. v. 28.8.2023 – 9 O 124/19

I. Sachverhalt

Die beiden Kläger hatten gemeinsam Klage erhoben und dabei Forderungen geltend gemacht, die zum Teil ihnen jeweils alleine, zum Teil aber ihnen auch als Gesamtgläubiger zustanden. Das Gericht hat den Klagen teilweise stattgegeben und sie i.Ü. abgewiesen. Die Kosten hat es entsprechend im Einzelnen gequotelt. Den Streitwert hat das Gericht gem. § 39 Abs. 1 GKG auf insgesamt 173.822,37 EUR festgesetzt. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sodann gem. § 33 RVG beantragt, die Gegenstandswerte ihrer Tätigkeit im Verhältnis zu den einzelnen Klägern gesondert festzusetzen. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat beantragt, den Festsetzungsantrag zurückzuweisen, da die Beschwerdefrist nach § 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 1 GKG abgelaufen sei. Zudem sei ein Antrag nach § 33 RVG unzulässig, da dieser nur dann statthaft sei, wenn sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit vom gerichtlichen Wert unterscheide, was hier aber nicht der Fall sei.

II. Antrag ist zulässig

Auf Antrag der Klägervertreterin war der Wert nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen. Der Antrag war zulässig. Die Vergütung ist fällig, weil das Verfahren durch Erlass des Urteils beendet und darin über die Kosten entschieden wurde (§ 8 Abs. 1 S. 2 RVG).

III. Gesonderte Wertfestsetzung ist geboten

Sind mehrere Personen in unterschiedlicher Weise an einem Verfahren beteiligt ist der Gegenstandswert für jede Person gesondert festzusetzen (HK-RVG/Kroiß, RVG, 9. Aufl., 2021, § 33 Rn 6).

Ausgehend hiervon waren die Gegenstandswerte der anwaltlichen Tätigkeit wie folgt festzusetzen:

 
 
Klägerin zu 1) 14.125,00 EUR
Kläger zu 2) 87.587,39 EUR
Kläger gemeinsam 72.109,98 EUR
Gesamt 173.822,37 EUR

IV. Bedeutung für die Praxis

1. Abgrenzung Streitwert/Gegenstandswert

Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 63 GKG ist von der Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren nach § 33 RVG zu unterscheiden. Zwar besteht nach § 32 Abs. 1 RVG eine Bindungswirkung für den Anwalt an den vom Gericht festgesetzten Streitwert; jedoch können Auftraggeber und Anwalt nach § 33 Abs. 1 RVG eine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswerts beantragen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder es an einem solchen Wert fehlt. In einem solchen Fall setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.

Ein solcher Fall liegt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur dann vor, wenn geltend gemacht wird, dass sich die Anwaltsgebühren nicht nach dem (Gesamt-)Streitwert berechnen, sondern auch dann, wenn geltend gemacht wird, dass für einzelne Streitgenossen nicht der volle Wert, sondern nur ein Teilwert gelte.

2. Anteilige Werte müssen für die Abrechnung feststehen

Eine solche Festsetzung ist auch geboten, da bei unterschiedlichen Kostenquotierungen – wie hier – anderenfalls nicht ermittelt werden kann, welcher Streitgenosse welche Vergütung gegenüber seinem Anwalt schuldet und folglich zur Festsetzung anmelden kann. Insoweit ist § 7 Abs. 2 RVG zu beachten. Der Anwalt kann von jedem seiner Auftraggeber die Gebühren verlangen, die entstanden wären, wenn der Auftraggeber den Anwalt alleine beauftragt hätte. Dazu muss aber festgestellt werden, welcher Gegenstandswert dann der jeweiligen alleinigen Beauftragung zugrunde zu legen ist.

Zudem muss feststehen, an welchem Wert beide Kläger beteiligt sind, da ja nur aus diesem Wert die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV berechnet werden darf. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Entscheidung des KG (AGS 2021, 281) hingewiesen. Im Gegensatz zur Streitwertfestsetzung nach § 63 GKG findet eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG nur zwischen dem Anwalt und dem einzelnen Mandanten statt, und entfaltet nur insoweit Wirkung. Diese Wertfestsetzung ist dagegen nicht – wie eine Streitwertfestsetzung – allgemeinverbindlich.

3. Die Abrechnung

a) Vorbemerkung

Bei der Abrechnung ist jetzt die Vorschrift des § 7 RVG zu beachten. Der Anwalt erhält seine Vergütung insgesamt nur einmal (§ 7 Abs. 1 RVG). Jeder einzelne Auftraggeber schuldet dabei die Vergütung, die er schulden würde, wenn er den Auftrag alleine erteilt hätte (§ 7 Abs. 2 RVG).

b) Gesamtabrechnung

Insgesamt ergibt sich folgende Abrechnung der Anwaltsvergütung (zur Erhöhung der Verfahrensgebühr bei unterschiedlicher Beteiligung mehrerer Auftraggeber s. AG Augsburg AGS 2008, 434; LG Saarbrücken AGS 2012, 56; LG Bonn Rpfleger 1995, 384):

 
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 1.151,50 EUR  
  (Wert: 101.712,39 EUR)    
2. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV 2.347,20 EUR  
  (Wert: 72.109,98 EUR)    
  gem. § 15 Abs. 3 RVG 3.400,00 EUR
  nicht mehr als 1,6    
  aus 173.822,37 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 2.550,60 EUR
  (Wert: 173.822,37 EUR)    
  Postentgeltpauschale...

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