Vorbem. 3 Abs. 3, Nrn. 3104, 3105 VV RVG
Leitsatz
Beziehen sich Erörterungen der im Termin allein anwesenden Partei mit dem Gericht ausschließlich auf eine Nebenforderung – nämlich den Anspruch auf Verzugszinsen, konkret den Beginn der Verzinsungspflicht – und nimmt die Klagepartei auf einen erst im Termin erfolgenden Hinweis des Gerichts hin die Klage hinsichtlich der Nebenforderung teilweise zurück, ist es geboten, von dem Grundsatz abzuweichen, dass im Säumnistermin eine volle 1,2-Terminsgebühr auf den vollen Gegenstandswert entsteht.
OLG Hamburg, Beschl. v. 4.3.2024 – 4 W 20/24
I. Sachverhalt
Im Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem für die Beklagte niemand erschienen war, hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass zur Klagforderung in Bezug auf den Zinsantrag teilweise noch nicht schlüssig vorgetragen sei. Der Klägervertreter hat daraufhin die Klage hinsichtlich der beanstandeten Zinsen zurückgenommen und i.Ü. den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt, das auch antragsgemäß erlassen wurde ist. Die Kosten des Rechtsstreits sind der Beklagten auferlegt worden. Die Klägerin hat daraufhin die Festsetzung ihrer Kosten beantragt, darunter auch eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Streitwert des Verfahrens. Die Rechtspflegerin hat eine 0,5-Terminsgebühr nach dem Wert der Hauptsache sowie eine 1,2-Gebühr aus dem Wert der Zinsen festgesetzt. Dagegen hat zunächst die Beklagte Erinnerung eingelegt und gerügt, dass aus dem Wert der Zinsen eine 1,2-Terminsgebühr angefallen sei. Sie ist der Auffassung, es dürfe nur eine 1,2-Terminsgbeühr aus dem Wert der Hauptsache festgesetzt werden. Die Klägerin wiederum hat sofortige Beschwerde eingelegt und begehrt weiterhin die Festsetzung der Terminsgebühr in voller Höhe von 1,2. Sie macht insoweit geltend, die engen Voraussetzungen der Nr. 3105 VV für die Reduzierung einer Terminsgebühr lägen nicht vor. Weder der Wortlaut noch die Kommentierung der einschlägigen Regelungen (Nr. 3104 VV sowie Nr. 3105 VV) sähen eine Differenzierung danach vor, ob im Gespräch zwischen dem anwesenden Prozessbevollmächtigten und dem Gericht Nebenforderungen oder Hauptforderungen thematisiert worden seien. Lebensfremd sei insoweit die Annahme, es hätte zwischen dem Gericht und dem Bevollmächtigten der Klägerin nach dem im Protokoll enthaltenen Hinweis des Gerichts im Verhandlungstermin kein weiterführendes Gespräch gegeben, während die Anwesenden vergeblich auf die Beklagte warteten. Richtig sei vielmehr, dass dieses Gespräch nicht protokolliert worden sei, da ein Protokoll lediglich die wesentlichen Inhalte einer Gerichtsverhandlung wiedergebe. Schließlich sehe das RVG eine Anwendbarkeit der vollen Terminsgebühr lediglich im Hinblick auf den Wert der Nebenforderungen bei zeitgleicher Anwendbarkeit der reduzierten Terminsgebühr im Hinblick auf den Wert der Hauptforderung nicht vor. Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt, das die Beschwerde zurückgewiesen hat.
II. Nur 0,5-Terminsgebühr aus der Hauptsache
Zwar hat der Klägervertreter im vorliegenden Verfahren einen gerichtlichen Termin wahrgenommen, sodass gem. Vorbem. 3 Abs. 3 VV eine Terminsgebühr entstanden ist. Allerdings ist gegenüber Nr. 3104 VV, wonach die Terminsgebühr als 1,2-Gebühr anfällt, hier Nr. 3105 VV vorrangig anwendbar. Dabei handelt es sich um eine gegenüber Nr. 3104 VV vorrangige Sonderschrift (Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl., 2022, Nr. 3105 VV Rn 1). Da die Voraussetzungen dieser Sonderschrift gegeben sind, ist der Klägerin der Rückgriff auf Nr. 3104 VV verwehrt.
Im Termin war – wie Nr. 3105 VV voraussetzt – lediglich eine Partei erschienen. Für die Beklagte ist in dem Termin niemand aufgetreten.
Der Klägervertreter hat ferner auch – wie es weitere Voraussetzung für die Reduzierung der Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV ist – lediglich einen Antrag auf den Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO gestellt.
III. Rechtsprechung des BGH nicht einschlägig
Der Senat verkennt dabei nicht, dass der BGH mit Beschl. v. 24.1.2007 (NJW 2007, 1692) insbesondere unter Berufung auf die Gesetzgebungsmaterialien entschieden hat, dass die in Nr. 3105 VV vorgesehene Gebührenreduzierung nur dann gelten soll, wenn der Rechtsanwalt im Termin neben der Stellung der Anträge auf Erlass eines Versäumnisurteils tatsächlich keine weiteren Tätigkeiten entfaltet. Dem Anwalt soll auch in einem Termin, in dem eine Säumnislage eintritt, ein beachtlicher, höher zu vergütender Mehraufwand entstehen, wenn er seine Klaganträge nach Erörterung mit dem Gericht angepasst hat (BGH, a.a.O., Rn 10).
Der Senat hält es indessen jedenfalls für den hier vorliegenden Sonderfall, dass sich die Erörterungen der im Termin allein anwesenden Partei mit dem Gericht nicht auf die Hauptforderung, sondern ausschließlich auf eine Nebenforderung – nämlich den Anspruch auf Verzugszinsen, konkret den Beginn der Verzinsungspflicht – bezogen hat und die Klagepartei auf einen erst im Termin erfolgenden Hinweis des Gerichts hin die Klage hinsichtlich der Nebenforderung teilweise zurücknimmt, für geboten, von dem genannten Grundsatz abzuw...