RVG § 58 Abs. 1, 2
Leitsatz
Wird ein Rechtsanwalt außergerichtlich für einen Mandaten tätig, dem Beratungshilfe bewilligt worden ist, werden Zahlungen des Anspruchsgegners auf die Anwaltsvergütung erst dann gem. § 58 Abs. 1 RVG auf die aus der Landeskasse zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung angerechnet, wenn der dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit gesetzlich zustehende Vergütungsanspruch voll befriedigt ist.
LG Saarbrücken, Beschl. v. 8.4.2009–5 T 172/09
1 Sachverhalt
Das AG hat der Antragstellerin Beratungshilfe bewilligt für die Geltendmachung von Schmerzensgeld.
Die Antragstellerin hat dann ihre Verfahrensbevollmächtigten beauftragt, ihren Schmerzensgeld- und Unterlassungsanspruch außergerichtlich geltend zu machen. Daraufhin haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin den Gegner zur Unterlassung und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten, berechnet aus einem Gegenstandswert von 4.500,00 EUR, in Höhe von 446,13 EUR aufgefordert.
Der außergerichtlich geführte Streit wurde durch einen Vergleich beendet, in dem sich der Gegner zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 446,13 EUR verpflichtet hat. Diesen Betrag hat der Gegner an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gezahlt, eine weitere Kostenübernahme hat er abgelehnt.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin haben beim AG unter Bezugnahme auf die für die Antragstellerin bewilligte Beratungshilfe die Auszahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 255,85 EUR aus der Landeskasse beantragt.
Der Vertreter der Landeskasse hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Zahlung des Anspruchsgegners der Antragstellerin in Höhe von 446,13 EUR sei auf die aus der Landeskasse zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung anzurechnen. Dadurch sei der Anspruch der Rechtsanwälte gegen die Landeskasse erloschen.
Die Rechtspflegerin hat den Antrag auf Festsetzung der Vergütung zurückgewiesen. Die dagegen von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im eigenen Namen eingelegte Erinnerung hat der Richter zurückgewiesen.
Dagegen haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin Beschwerde eingelegt, die Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
Der Antragstellerin steht aufgrund der Bewilligung des AG Beratungshilfe zu.
1. Die von der Antragstellerin beauftragten Rechtsanwälte erhalten gem. § 44 RVG für ihre Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach dem RVG aus der Landeskasse. Ihnen steht nach Nr. 2503 VV eine Geschäftsgebühr in Höhe von 70,00 EUR und nach Nr. 2508 VV eine Einigungsgebühr in Höhe von 125,00 EUR zuzüglich der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 EUR (vgl. § 46 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV) sowie der gesetzlichen Umsatzsteuer in Höhe von 19 % (vgl. § 46 RVG i.V.m. Nr. 7008 VV), also insgesamt der zur Festsetzung beantragte Betrag von 255,85 EUR zu.
2. Entgegen der in dem angefochtenen Beschluss des AG und auch von dem Vertreter der Landeskasse vertretenen Auffassung ist die an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gewährte Zahlung des Anspruchsgegners der Antragstellerin in Höhe von 446,13 EUR nicht auf die den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen.
3. § 58 Abs. 1 RVG, auf den sich das AG und der Bezirksrevisor stützen, ist unter Berücksichtung der Gesetzessystematik dahingehend restriktiv auszulegen, dass nur die Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 BerHG erhalten hat, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung angerechnet werden, die den gesetzlichen Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts übersteigen. Dagegen wird die Landeskasse dann nicht von ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Wahlanwalt des Beratungsantragsstellers befreit, wenn der Rechtsanwalt durch die Kostenzahlung des Anspruchsgegners noch nicht voll befriedigt ist.
Diese Handhabung der Anrechnung ergibt sich bei einem Rechtsanwalt, der dem Antragsteller im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist, zweifelsfrei aus § 58 Abs. 2 RVG (vgl. dazu Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., § 59 RVG, Rn 26, 27). Nach dieser Vorschrift sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Landeskasse nicht besteht. Dementsprechend sind Zahlungen eines Dritten auf die Rechtsanwaltsgebühren nur dann und erst dann auf die Verpflichtung der Landeskasse anzurechnen, wenn die dem Rechtsanwalt entstandene Gebührenforderung vollständig getilgt ist.
4. Für die Verpflichtung der Landeskasse im Rahmen der Beratungshilfe ergibt sich diese Handhabung der Anrechnung nicht aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 RVG, wohl aber aus der Gesetzessystematik, nämlich aus der in § 59 Abs. 3 RVG für die Beratungshilfe getroffenen Regelung. Gem. § 59 Abs. 3 RVG gilt Abs. 1 dieser Vorschrift – und zwar der gesamte Abs. 1, also auch S. 2 – bei der Beratungshilfe entsprechend. Das heißt, die in erster Lin...