RVG § 14 Abs. 1 S. 1; SGG § 88 Abs. 1
Leitsatz
1.Die Untätigkeitsklage ist nach § 88 Abs. 1 SGG bei vorverfahrenspflichtigen Klagen nur als eine bloß auf formelle Bescheidung gerichtete Bescheidungsklage ausgestaltet. Die materiellrechtliche Bedeutung ist wegen der Besonderheiten im sozialgerichtlichen Verfahren bei der Untätigkeitsklage bei der Bemessung der Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig.
2.Die Erledigungsgebühr stellt sich als eine Art Ersatz für die Vergleichsgebühr dar. Daher ist ein "besonderes Bemühen" des Rechtsanwalts um eine außergerichtliche Erledigung erforderlich, das über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen (Widerspruchs-) Verfahren abgegolten wird.
VG Bremen, Beschl. v. 3.2.2009 – S4 E 1914/08
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren.
Die Erinnerungsführerinnen ließen durch ihren Prozessbevollmächtigten Untätigkeitsklage beim VG erheben, mit der sie die Bescheidung eines Widerspruchs begehrten. Die Erinnerungsgegnerin erließ daraufhin einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie den Widerspruch zurückwies. Darüber hinaus erklärte sie sich zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bereit. Daraufhin machte der Prozessbevollmächtigte sodann folgende Kosten geltend:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV |
200,00 EUR |
Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV |
120,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV |
64,60 EUR |
Gesamt |
404,60 EUR |
Der Urkundsbeamte der Geschäftstelle setzte im Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt 114,24 EUR fest. Die Verfahrensgebühr setzte er in Höhe der doppelten Mindestgebühr (80,00 EUR) zzgl. Mehrwertsteuer an. Die Erledigungsgebühr setzte er ganz ab. Zur Begründung führte er aus, für eine Untätigkeitsklage komme nur eine weit unter dem Mittelwert liegende Gebühr in Betracht. Der anwaltliche Arbeitsaufwand sei als gering anzusehen. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, weil es an der besonderen Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Erledigung fehle.
Dagegen haben die Kläger Erinnerung eingelegt. Der Ansatz der doppelten Mindestgebühr sei unverhältnismäßig und berücksichtige nicht den tatsächlichen Arbeitsaufwand. Zudem sei die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV nicht in Ansatz gebracht worden.
Die Erinnerung, der der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Der Ansatz der Verfahrensgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr beträgt unter Berücksichtigung einer Erhöhungsgebühr für zwei weitere Auftraggeber gem. Nrn. 3102, 1008 VV 64,00 bis 736,00 EUR. Die Erinnerungsführerin zu 3) wurde offensichtlich aufgrund eines Versehens der Geschäftsstelle nicht in das Rubrum der Untätigkeitsklage aufgenommen. Sie wird in der Klageschrift gleichwohl ausdrücklich als Klägerin genannt.
Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie im vorliegenden Fall – von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Nach Maßgabe dieser Kriterien stellt sich das vorliegende Verfahren unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als deutlich unterdurchschnittlich dar. Dem hat der Rechtsanwalt zwar mit Ansatz der halben Mittelgebühr in gewissem Umfang Rechnung getragen. Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigen hier jedoch auch nicht den Ansatz einer halben Mittelgebühr. Die Abweichung von der Mittelgebühr rechtfertigt sich im Fall der vorliegenden Untätigkeitsklage insbesondere unter den Gesichtspunkten des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Es bedurfte lediglich der Prüfung, ob über den Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten entschieden worden war und es an einem zureichenden Grund für eine Untätigkeit fehlte. Die anwaltliche Prüfung des zureichenden Grundes i.S.v. § 88 Abs. 1 SGG gestaltete sich hier besonders einfach, denn der Rechtsanwalt war mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt bereits aus dem Eilverfahren vertraut. Bereits dort hatte er auf den Widerspruch Bezug genommen. Ein Grund für die Nichtbescheidung durch die Erinnerungsgegnerin war nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen. Die Untätigkeitsklage war offensichtlich begründet, so dass sich die prozessuale Tätigkeit des Bevollmächtigten auf die Klagerhebung beschränken konnte. Das Verfahren wurde durch den Erlass des Widerspruchsbescheids kurzfristig nach Klagerhebung abgeschlossen. Weitere inhaltliche Stellungnahmen waren nicht erforderlich...