RVG § 17 Nr. 4b); RVG VV Nr. 2300 (Nr. 2400 a.F.)
Leitsatz
Die außergerichtliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts vor einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und diejenige vor dem nachfolgenden Hauptsacheverfahren stellen regelmäßig verschiedene Angelegenheiten dar, deren Wahrnehmung jeweils eine Geschäftsgebühr auslöst.
BGH, Urt. v. 12.3.2009 – IX ZR 10/08
1 Sachverhalt
Der Kläger beauftragte den Beklagten im April 2005 mit seiner anwaltlichen Vertretung in einer markenrechtlichen Angelegenheit gegen einen Wettbewerber. Der Beklagte mahnte den Wettbewerber ab und handelte einen Vergleich aus. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Wettbewerber in der dabei angegebenen Rechtsform einer GmbH nicht existierte. Der Beklagte erwirkte daraufhin im Auftrag des Klägers eine einstweilige Verfügung gegen den Wettbewerber persönlich. Danach beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Durchführung des Hauptsacheverfahrens. Zunächst sollte der Beklagte vom Wettbewerber die Abgabe einer Abschlusserklärung verlangen. Noch vor Absendung der vom Beklagten entworfenen Abschlusserklärung kündigte der Kläger das Mandat.
Der Beklagte rechnete seine Tätigkeit gegenüber dem Kläger in vier Rechnungen ab. Für den Entwurf des Abschlussschreibens beanspruchte er eine gesonderte Vergütung neben dem Honorar für seine gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeit bezüglich der einstweiligen Verfügung. Er berechnete insoweit eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV (jetzt Nr. 2300 VV) aus einem Gegenstandswert von 167.000,00 EUR zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,00 EUR und 16 % Umsatzsteuer, zusammen 2.529,50 EUR. Nachdem der Beklagte bereits Vorschüsse und Leistungen des Gegners sowie der Rechtsschutzversicherung vereinnahmt hatte, welche das ihm unstreitig zustehende Honorar überstiegen, hat ihn der Kläger auf Rückzahlung von 1.559,55 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Der Rechnung für das Abschlussschreiben hat er erstinstanzlich entgegengehalten, dass nur eine 0,8-fache Geschäftsgebühr aus einem Wert von 150.000,00 EUR gerechtfertigt sei.
Das AG hat dem Beklagten für die Fertigung des Abschlussschreibens eine 1,3-fache Geschäftsgebühr aus 155.000,00 EUR zugebilligt und der Klage nur in Höhe von 10,10 EUR stattgegeben. Mit seiner Berufung hat der Kläger unter Erweiterung der Klage die Rückzahlung des gesamten vom AG für das Abschlussschreiben zugebilligten Betrags von 2.413,38 EUR begehrt. Anders als in erster Instanz hat er nun die Honorarforderung für das Abschlussschreiben für insgesamt unberechtigt gehalten.
Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu der Frage erforderten, ob nach Abmahnung und Durchführung eines Verfahrens nach §§ 935 ff. ZPO das Bestreiten des nachfolgenden, gegebenenfalls eine Klageerhebung vorbereitenden Geschäfts, insbesondere das Fertigen eines Abschlussschreibens, eine gesonderte Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG darstellten.
2 Aus den Gründen
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Entscheidung über den Grund der Honorarforderung des Beklagten für die Fertigung des Abschlussschreibens beschränkt. Die Beschränkung erfolgte zwar nicht im Tenor der Entscheidung. Sie ergibt sich aber eindeutig aus den Entscheidungsgründen. Die Formulierung der für die Zulassung maßgeblichen Rechtsfrage am Ende der Entscheidung lässt klar erkennen, dass das Berufungsgericht damit nicht nur eine Begründung für die Zulassung nennen, sondern auch die Zulassung der Revision auf den eindeutig abgrenzbaren, selbstständigen Teil des Streitgegenstands beschränken wollte, der durch die genannte Rechtsfrage betroffen ist (BGHZ 153, 358, 361; BGH, Beschl. v. 29.1.2004 – V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366; Urt. v. 3.3.2005 – IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716). Die Zulassung der Revision kann auch auf einen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, über den durch Teil- oder Grundurteil hätte entschieden werden können. Eine Beschränkung ist daher auf den Anspruchsgrund zulässig, wenn – wie hier – die Entscheidung über den Grund des Anspruchs keine Auswirkung auf die Höhe des Anspruchs haben kann (BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 259/81, NJW 1982, 2380 f.; v. 13.7.2004 – VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177).
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im Umfang der Revisionszulassung stand. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen gesonderten Honoraranspruch des Beklagten für die Anfertigung des Abschlussschreibens bejaht.
1. Der BGH hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Anfertigung eines Abschlussschreibens hinsichtlich der Anwaltsgebühren nicht mehr zum vorangegangenen Eilverfahren gehört, sondern zur angedrohten Hauptsacheklage, und sich deshalb als eine neue, selbstständig zu honorierende Angelegenheit i.S.d. § 17 RVG darstellt. Fordert der Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten nach Erwirkung einer auf ein...