SGG § 73a; ZPO § 121
Leitsatz
- In Verfahren vor den Sozialgerichten kann ein Rechtsanwalt mit einem Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden.
- Die Beiordnung kann sich zusätzlich auf die Kosten erstrecken, die durch die notwendige Beiordnung eines weiteren Anwalts entstehen würden.
LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 10.2.2010 – L 8 B 195/09 R PKH
Sachverhalt
I. Der in S., Dänemark, wohnende Kläger begehrt in seiner Klage vor dem SG Lübeck eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er wird von Rechtsanwalt B. aus F. vertreten. Das SG Lübeck hat auf den Antrag des Klägers für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B. aus F. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Gegen diese Einschränkung der Beiordnung wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Zur Begründung trägt er vor, die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten in Lübeck würde höhere Kosten verursachen, weil dann seine Fahrtkosten nach L. angerechnet werden müssten.
Die Beschwerde hatte teilweise Erfolg und führte zur Beiordnung des in F. ansässigen Anwalts beschränkt auf die Kosten eines im Gerichtsbezirk des SG Lübeck ansässigen Prozessbevollmächtigten zuzüglich der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwalts anfallenden Kosten.
Aus den Gründen
Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe entsprechend.
Aus der entsprechenden Anwendung wurde bereits für § 121 Abs. 3 ZPO in der bis zum 31.5.2007 gültigen Fassung ("Ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen") gefolgert, dass für die Sozialgerichtsbarkeit keine Einschränkung dahingehend gemacht werden könne, dass nur ein ortsansässiger Rechtsanwalt beigeordnet werden könne, sondern dass auf den gesamten Gerichtsbezirk des Sozialgerichts abzustellen sei (LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.8.2005 – L 2 B 36/05 AL; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.9.2007 – L 9 B 35/07 SO; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 1.3.2007 – L 5 B 580/0680/06 AS PKH). Ab 1.6.2007 lautet diese Vorschrift nunmehr: "Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen". Dadurch ist klargestellt, dass seit 1.6.2007 der Bezirk eines Sozialgerichts maßgeblich ist. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts, der seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks hat, ist nur möglich, wenn dadurch weitere Kosten, insbesondere in Form von Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgeldern, nicht entstehen. Eine unbeschränkte Beiordnung von Rechtsanwalt B., der seine Kanzlei in F., und somit außerhalb des Gerichtsbezirks des SG Lübeck hat, wäre somit nicht möglich.
Allerdings kann gem. § 121 Abs. 4 ZPO der Partei auf ihren Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Die Beiordnung eines zusätzlichen Anwalts, eines sogenannten Verkehrsanwalts, kann somit geboten sein. Soweit durch die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Kosten eines solchen Verkehrsanwalts erspart werden, sind die durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Reisekosten erstattungsfähig (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.1.2007 – L 10 R 6432/06 PKH – B unter Bezugnahme auf BAG, Beschl. v. 18.6.2005–3 RZB 56/03; BGH, Beschl. v. 23.6.2004 – XII ZB 61/04). Dementsprechend darf das SG dem nicht ortsansässigen Rechtsanwalt nicht stets durch eine beschränkte Beiordnung die Möglichkeit der Erstattung von Reisekosten nehmen. Vielmehr ist immer auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ein Verkehrsanwalt also nicht notwendig wäre, darf der auswärtige Prozessbevollmächtigte mit der Beschränkung auf den Bezirk des Gerichts beigeordnet werden (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.1.2007 – L 11 R 6432/06).
Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO wegen besonderer Umstände erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Parteien abzustellen. Solche besonderen Umstände können dann vorliegen, wenn einer Partei eine Informationsreise zu einem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts nicht zugemutet werden kann oder wenn ihr eine schriftliche Information wegen des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Sache nicht zuzumuten ist (BGH, Beschl. v. 23.6.2004 – XII ZB 61/04).
Hier streitet der Kläger darum, ob ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren sei. Dabei handelt es sich um eine für Laien schwierige Sach- und Rechtslage, so dass anders als durch einen persönlichen Kontakt zwischen dem Kläger und einem...