RVG § 15a; ZPO §§ 103 ff.

Leitsatz

Die auf § 15a RVG gestützte Nachfestsetzung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn seinerzeit nur die Kosten einer ermäßigten Verfahrensgebühr geltend gemacht waren.

OLG Dresden, Beschl v. 16.2.2010–3 W 170/10

Sachverhalt

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.2.2009, von dem dem Kläger eine (vollstreckbare) Ausfertigung am 4.3.2009 formlos übersandt wurde, hat die Rechtspflegerin dem Festsetzungsantrag des Klägers, der im vorgelagerten Bauprozess zur Hauptforderung obsiegt hatte, entsprochen, dabei u.a., auch insofern antragsgemäß, die Kosten einer nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV ermäßigten anwaltlichen Verfahrensgebühr berücksichtigt. Mit Eingangsdatum vom 9.11.2009 verlangt der Kläger nun im Wege der Nachliquidation die Festsetzung weiterer 318,68 EUR zur anwaltlichen Verfahrensgebühr, beruft sich dabei auf § 15a Abs. 2 RVG, der auch seinen Fall erfasse und dessen Ausnahmetatbestände nicht begründet seien. Die Rechtspflegerin hat den Antrag zurückgewiesen. Der Kläger stellt dies im Wege der Beschwerde zur Überprüfung durch das OLG.

Aus den Gründen

Der jetzige Festsetzungsantrag ist unzulässig. Ihm steht die (materielle) Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses vom 12.2.2009 entgegen.

Der Kläger bemerkt allerdings zu Recht, dass, gemessen an § 15a Abs. 2 RVG, der Beklagte ihm die Kosten einer 1,3-Verfahrensgebühr ersetzen muss. Zwar hat sich sein Prozessbevollmächtigter zum Gegenstand der Klage eine 1,3-Geschäftsgebühr verdient. Auch waren deren Kosten Gegenstand der Klage. Diese wurde aber insofern abgewiesen. So sind sie nicht tituliert. Erfüllt sind sie nach unwidersprochenem Vorbringen des Klägers auch nicht. Demnach liegt keiner der von § 15a Abs. 2 RVG vorgesehenen Ausnahmetatbestände vor, auch nicht der letzte der dort genannten. Denn Klage und Festsetzung sind nicht "dasselbe Verfahren" (näher dazu OLG Stuttgart AGS 2010, 25 und Volpert, VRR 2009, 254, 256).

Auch ist § 15a Abs. 2 RVG in allen Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden, die bei seinem Inkrafttreten am 5.8.2009 anhängig waren oder danach beantragt wurden. Ohne Belang ist also, wann die Anwaltsaufträge erteilt wurden, mit deren Erfüllung sich der (spätere) Prozessbevollmächtigte die beiden Betriebsgebühren verdient hat. Das wurde vom Senat bereits am 13.8.2009 entschieden. Auf die Gründe des dortigen Beschlusses sei verwiesen (3 W 793/09). Hieran hält der Senat, in Ergebnis und Begründung, fest.

Im Streitfall war das Festsetzungsverfahren am 5.8.2009 allerdings längst abgeschlossen. Der zu verrechnende Teil der beiden Betriebsgebühren kann daher im Festsetzungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Dem steht die Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses vom 12.2.2009 entgegen. Mehr als dort zur Erstattung der anwaltlichen Verfahrensgebühr angeordnet kann der Kläger nicht mehr verlangen.

Folge der materiellen Rechtskraft, in die anerkanntermaßen auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse erwachsen (BGH NJW 2003, 1462), ist, dass sich eine erneute Entscheidung über denselben Streitgegenstand verbietet. Gegenstand der Kostenfestsetzung waren vorliegend auch die Kosten der anwaltlichen Verfahrensgebühr. Über den (prozessualen) Anspruch auf deren Erstattung hat das LG rechtskräftig entschieden. Jede erneute gerichtliche Befassung mit diesem Anspruch ist daher ausgeschlossen.

Daran ändert nichts, dass der Kläger seinerzeit nur die Kosten der ermäßigten Verfahrensgebühr geltend gemacht hatte. Mehr stand ihm nach einschlägiger BGH-Rechtsprechung (etwa Beschl. v. 14.8.2008 – I ZB 103/07), der, zumal vertretbar, zunächst aus Gründen einheitlicher Rspr. und jetzt aus fortwirkenden der Rechtssicherheit zu folgen war und ist, nicht zu. Die Rechtspflegerin hat also nicht nur über einen Teil der Kosten zur Verfahrensgebühr entschieden, sondern über den Erstattungsanspruch in voller Höhe, so wie er dem Kläger zustand. Demnach bleibt kein Rest, der von den Wirkungen der Rechtskraft ausgenommen und daher einer Nachfestsetzung zugänglich wäre.

Letztlich ist ohne Belang, dass dem Kläger der Festsetzungsbeschluss vom 12.2.2009 nicht zugestellt, nur, wie von § 104 Abs. 1 S. 4 ZPO vorgegeben, formlos mitgeteilt wurde. Das ändert nichts daran, dass er diese Entscheidung zulässigerweise nicht anfechten kann, so dass es auf die Frage, ob sie auch ihm gegenüber, etwa in entsprechender Anwendung der §§ 569 Abs. 1 S. 2, 270 S. 2 ZPO, formell rechtskräftig ist, für die hier maßgebliche materielle Rechtskraft (ausnahmsweise) nicht ankommt.

Die Rechtspflegerin hat nach alledem den Nachfestsetzungsantrag mit Grund zurückgewiesen. Dieser ist unzulässig.

Anmerkung

"Gegen eine gerichtlich entschiedene Sache wird man nicht gehört." Diese Grundlagen römischen Rechts haben ihre Ausprägung in § 322 ZPO, der auch – und davon geht das OLG noch zutreffend aus – auf Beschlüsse im Kostenfestsetzungsverfahren Anwendung findet.

Die sich insoweit ergebende Bindungswirkung erstreckt sich aber nur auf das Geltendgemachte: Im Kostenfestsetzungsverfahren heißt dies: Geld! Festgesetzt wird nicht etwa eine Verfahrensgebühr ode...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?