GKG-KostVerz. Nrn. 1201, 1211; ZPO § 344
Leitsatz
Ist im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergangen und haben die Parteien später einen Prozessvergleich geschlossen, nach dem der Beklagte vorab die Kosten der Säumnis trägt, so hat der Beklagte 2,0 Gerichtsgebühren zu tragen, weil diese nicht entstanden wären, wenn das Verfahren durch Vergleich beendet worden wäre, ohne dass der Beklagte zuvor säumig gewesen wäre.
AG Hannover, Beschl. v. 5.5.2009–414 C 812/08
Aus den Gründen
Zur Begründung wird vollinhaltlich auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors Bezug genommen.
Mit Beschluss wurden Gerichtskosten in Höhe von 110,00 EUR gegen den Beklagten festgesetzt. Aufgrund der vorgenommenen Berichtigung der Gerichtskostenrechnung ergibt sich nunmehr ein von der Beklagten zu zahlender Betrag in Höhe von 146,57 EUR, sodass vorstehender Betrag festzusetzen war. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Anmerkung
Auf den ersten Blick hat die Entscheidung etwas für sich. Man ist immer geneigt, die säumige Partei zu bestrafen. Mit dem Gesetzeswortlaut ist die Auffassung des AG Hannover jedoch nicht vereinbar.
Die 3,0-Gebühr der Nr. 1210 GKG-KostVerz. entsteht nicht durch die Säumnis, sondern durch die Klageeinreichung. Entgegen der häufig anzutreffenden Auffassung handelt es sich bei der der 3,0-Gerichtsgebühr nicht um einen Vorschuss, sondern um eine sofort entstandene und fällig Gebühr, die sich lediglich im Nachhinein ermäßigt. Die 3,0-Gebühr war also schon lange angefallen, bevor der Beklagte hier säumig war.
Durch die Säumnis veranlasst war hier lediglich der Wegfall der Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 GKG-KostVerz. Den Wegfall des Ermäßigungstatbestandes als Kosten der Säumnis zu begreifen, fällt jedoch schwer.
Abgesehen davon sind die Kosten nicht nur durch Säumnis des Beklagten verursacht worden, sondern letztlich erst dadurch, dass der Kläger ein Versäumnisurteil beantragt hat. Er hat sich also selbst zuzuschreiben, wenn es später nicht mehr zu einer Gerichtskostenermäßigung kommt. Hätte der Kläger im Termin kein Versäumnisurteil beantragt, sondern Vertagung, dann wäre den Parteien bei einem späteren Vergleichsschluss die Möglichkeit der Gebührenermäßigung erhalten geblieben.
Da es hinsichtlich der Anwaltsgebühren keine zusätzlichen Kosten der Säumnis mehr gibt – die Terminsgebühr fällt nicht mehr gesondert an –, sollte der Anwalt sorgfältig überlegen, ob er in jedem Fall bei Säumnis des Gegners ein Versäumnisurteil beantragt. Ist sicher, dass der Gegner Einspruch einlegen wird und sich das Verfahren dann fortsetzt, dann macht der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils nur dann Sinn, wenn daraus Rechte hergeleitet werden sollen, also wenn etwa vorläufig vollstreckt werden soll. Im Übrigen macht es keinen Sinn, ein Versäumnisurteil nur um seiner selbst Willen zu beantragen. Der Kläger macht seiner Partei damit die Möglichkeit einer späteren Gerichtskostenermäßigung im Falle eines Vergleichs oder einer Klagerücknahme zunichte. Damit kann sich der Anwalt gegebenenfalls schadensersatzpflichtig machen. Das Beantragen eines Versäumnisurteils kann sich daher im Nachhinein als Phyrrus-Sieg erweisen.
Etwas anderes kann im Falle eines Vergleichs gelten, so das KG:
Die Kostenregelung eines gerichtlichen Vergleichs, nach der dem Kläger – bei Kostenaufhebung im Übrigen – die Kosten des von ihm erwirkten, aber nicht in gesetzlicher Weise ergangenen Versäumnisurteils zur Last fallen, ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass der Kläger die auf den Fortfall der Ermäßigung der gerichtlichen Verfahrensgebühr Nr. 1210 GKG-KostVerz. infolge des vorangegangenen Versäumnisurteils (Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz.) entfallenden Mehrkosten allein zu tragen habe.
Anders dagegen das OLG Koblenz:
War der Beklagte in einem Termin säumig, ist eine spätere Vergleichsvereinbarung, wonach er verpflichtet bleibt, die Kosten der Säumnis zu tragen, nicht dahin auszulegen, dass ihm sämtliche Gerichtskosten zur Last fallen, die darauf zurückgehen, dass eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr (Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz.) wegen des Versäumnisurteils ausscheidet (Abgrenzung zu zur vorstehenden Entscheidung des KG).