RVG § 15a Abs. 2
Leitsatz
Die im Rahmen einer vorprozessualen Abmahnung entstandene Geschäftsgebühr betrifft i.S.d. Gebührenrechts denselben Gegenstand wie das nachfolgende einstweilige Verfügungsverfahren.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.9.2010 – 6 W 40/10
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten im Anwendungsbereichs des § 15a Abs. 2 RVG über die Anrechnung der halben Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV. Der Antragsteller meint, im Kostenfestsetzungsverfahren sei zu Unrecht eine Anrechnung erfolgt, da die vorgerichtliche Geltendmachung eines endgültigen markenrechtlichen Unterlassungsanspruches gebührenrechtlich nicht denselben Gegenstand betreffe wie das nachfolgende einstweilige Verfügungsverfahren.
Der Antragsteller hatte die Antragsgegnerin nach Kenntnisnahme des Verstoßes im November 2009 erfolglos wegen Verletzung seiner Markenrechte durch seine späteren Prozessbevollmächtigten abmahnen lassen und nachfolgend eine auf Unterlassung gerichtete Beschlussverfügung beim LG bewirkt. In dieser wurden der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der Antragsteller hat die einstweilige Beschlussverfügung vollzogen.
Am 12.2.2010 hat die Antragsgegnerin den Anspruch des Antragstellers auf Erstattung der 1,3-Geschäftsgebühr seines Rechtsanwalts durch Zahlung eines Dritten erfüllt. Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag verlangt der Antragsteller die Erstattung der an seinen Prozessbevollmächtigten gezahlten 1,3-Verfahrensgebühr ohne Anrechnung der halben Geschäftsgebühr.
Das LG hat in seiner Festsetzung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die 1,3-Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten die halbe Geschäftsgebühr angerechnet, sie also um die Hälfte gekürzt. Gegen diese Anrechnung wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er geltend macht, die Abmahnung und das einstweilige Verfügungsverfahren betreffe nicht denselben Gegenstand.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Zu Recht hat das LG die von dem Antragsteller geltend gemachte Verfahrensgebühr um die Hälfte der angefallenen Geschäftsgebühr gekürzt.
Ausgangspunkt der Entscheidung ist, dass die im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens entstandene Geschäftsgebühr nach der std. Rspr. des BGH im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO nicht zum Kostenausgleich festgesetzt werden kann (BGH WRP 2009, 75 m. w. Nachw.). Dementsprechend können Kosten, die einer Partei für eine markenrechtliche Abmahnung nach Nr. 2300 VV entstehen, nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung sein. Allerdings kann sich der Schuldner im Kostenfestsetzungsverfahren eines nachfolgenden Gerichtsverfahren in den in § 15a Abs. 2 RVG genannten Fällen nach der Vorbem. 3 Abs. 4 VV dann auf die Anrechnung der halben Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr berufen, wenn die Geschäftsgebühr wegen desselben Gegenstandes wie die Verfahrensgebühr entstanden ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers haben die (erfolglos) geltend gemachte vorgerichtliche Abmahnung und das nachfolgende einstweilige Verfügungsverfahren gebührenrechtlich denselben, durch einen Wettbewerbs- oder Markenverstoß begründeten Unterlassungsanspruch zum Gegenstand.
Die Anrechnungsregelung in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV lautet: "Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet." Die Voraussetzungen zur Anrechnung der halben Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr liegen im Streitfall vor.
a) Die Geschäftsgebühr des späteren Prozessbevollmächtigten ist i.H.v. 1,3-Gebühreneinheiten entstanden. Durch die Vorlage des Abmahnschreibens ist hinreichend nachgewiesen, dass der Antragsteller diesen für sein vorprozessuales Vorgehen in dem erforderlichen Umfang beauftragt hat.
b) Der Antragsgegner kann sich nach § 15a Abs. 2 RVG wegen Erfüllung auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr berufen.
Grundsätzlich gilt allerdings, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und dessen Mandant betrifft und sich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren regelmäßig nicht auswirkt (BGH NJW 2009, 3101; AGS 2010, 54; 2010, 159). Ob die Regelung des § 15a RVG insoweit die bisherige Rechtslage geändert oder sie lediglich klargestellt hat, ist angesichts der Beauftragung des Rechtsanwalts nach Kenntnisnahme des Verstoßes (17.11.2009) und damit nach Inkrafttreten des § 15a RVG am 5.8.2009 im Streitfall ohne Bedeutung.
Nach § 15a Abs. 2 RVG kann ein Dritter, also ein nicht am Mandatsverhältnis Beteiligter, aber z.B. aufgrund von prozessrechtlichen Regelungen dem Auftraggeber Erstattungspflichtiger sich auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide...