RVG §§ 42, 51, 52 Abs. 1 S. 2, 58 Abs. 3. S. 1, 3 GKG § 66 Abs. 4 S. 1, Abs. 6 S. 1, Abs. 8
Leitsatz
- Die Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 3 S. 3 RVG ist so anzuwenden, dass zunächst das Doppelte der Pflichtverteidigervergütung – ohne Berücksichtigung der Pauschvergütung – zu berechnen ist. Sodann ist der Betrag zu ermitteln, der zugunsten des Pflichtverteidigers aus der Staatskasse festgesetzt worden ist, und die Anrechnung vorzunehmen, soweit dieser Betrag einschließlich der Zahlung, über deren Anrechnung zu befinden ist, den doppelten Betrag der Pflichtverteidigervergütung übersteigt.
- Bei der Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung ist sicherzustellen, dass der Pflichtverteidiger neben den vollen Pflichtverteidigergebühren zusammen mit den bereits erhaltenen Zahlungen und Vorschüssen nicht mehr erhält, als ihm als Wahlverteidigervergütung zustünde. Hierfür spricht die Regelung in § 52 Abs. 1 S. 2 RVG, wonach die aus der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren auf den Anspruch gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren anzurechnen sind.
- Es ist ausgeschlossen, dass ein Wahlverteidiger nach § 42 RVG eine höhere Vergütung erhält als ein Pflichtverteidiger nach § 51 RVG.
OLG Jena, Beschl. v. 17.8.2009 – 1 Ws 277/09
1 Sachverhalt
Durch das rechtskräftige Urteil des AG ist der Verurteilte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.
In dem Strafverfahren ist der Verurteilte von Rechtsanwältin Dr. S als Pflichtverteidigerin vertreten worden. An sie hatte er als Vorschuss auf das Honorar 300,00 EUR gezahlt.
Mit Kostenansatz ist der Verurteilte verpflichtet worden, u.a. 4.996,06 EUR verauslagte Pflichtverteidigergebühren an die Staatskasse zu zahlen.
Gegen diesen Kostenansatz hat der Verurteilte Erinnerung eingelegt, mit der er im Wesentlichen moniert, dass der von ihm an seine Pflichtverteidigerin vor deren Bestellung gezahlte Vorschuss i.H.v. 300,00 EUR bei der Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren nicht als Abzugsbetrag berücksichtigt worden sei und dass die vom OLG seiner Pflichtverteidigerin i.H.v. 3.630,00 EUR netto bewilligte Pauschvergütung überhöht sei.
Auf die Erinnerung des Verurteilten hat das AG den Kostenansatz dahingehend geändert, dass für an Rechtsanwälte zu zahlende Beträge nicht 4.996,06 EUR, sondern nur 4.696,06 EUR zu zahlen seien, und hat im Übrigen der Erinnerung nicht abgeholfen.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Verurteilte als auch die Staatskasse Beschwerde eingelegt.
Das LG hat die Beschwerden des Verurteilten und der Staatskasse gegen den Beschluss des AG zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen, soweit die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG zurückgewiesen worden ist.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Verurteilte als auch die Staatskasse weitere Beschwerde eingelegt, der das LG jedoch nicht abgeholfen, sondern sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.
2 Aus den Gründen
1. Die weitere Beschwerde des Verurteilten ist nicht zulässig und war deshalb zu verwerfen.
Gem. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG ist die weitere Beschwerde nur zulässig, wenn das LG als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat.
Zugelassen hat das LG die weitere Beschwerde jedoch nur, soweit die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG zurückgewiesen worden ist. Damit ist die Zulassung der weiteren Beschwerde auf eine solche der Staatskasse beschränkt.
Eine dergestalt eingeschränkte (teilweise) Zulassung der weiteren Beschwerde ist nicht zu beanstanden. Für die Zulassung der Revision in Zivilsachen ist anerkannt, dass diese grundsätzlich auf diejenige Prozesspartei beschränkt werden kann, zu deren Ungunsten die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage entschieden worden ist (vgl. BGH MDR 2002, 964 m. w. Nachw.). Dies hat auch für die Zulassung der weiteren Beschwerde nach § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zu gelten. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kammer die von ihr als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage, ob die Anrechnung der vom Verurteilten geleisteten 300,00 EUR vorzunehmen ist oder nicht, zu Ungunsten der Staatskasse entschieden. Deshalb war es zulässig, auch nur für diese die weitere Beschwerde zuzulassen.
2. Die zulässige weitere Beschwerde der Staatskasse ist unbegründet.
Zu Recht hat das LG durch die angegriffene Entscheidung den von dem Verurteilten an seine Pflichtverteidigerin gezahlten Gebührenvorschuss i.H.v. 300,00 EUR auf die von der Staatskasse verauslagten Pflichtverteidigergebühren i.H.v. 4.996,06 EUR angerechnet.
a) Nach § 58 Abs. 3 S. 1 RVG sind Zahlungen, die ein Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit im Straf- bzw. Ermittlungsverfahren von seinem Mandanten erhalten hat, auf seine Pflichtverteidigergebühren für die gesamte jeweilige Instanz anzurechnen.
Gem. § 58 Abs. 3 S. 3 RVG erfolgt die Anrechnung oder Rückzahlung jedoch nur, soweit der Rechtsanwalt durch die Zahlung insgesamt mehr als den doppelten Betrag der ihm ohne Berücksichtigung des § 51 RVG ...