GKG § 50; VgV § 3 RVG VV Nrn. 2300, 2301
Leitsatz
- Ist der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers bereits im Vergabeverfahren tätig geworden, so ist nicht vom Gebührenrahmen der Nr. 2300 VV auszugehen, sondern von dem reduzierten Rahmen der Nr. 2301 VV. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass der Umfang der Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren geringer ist. Dieser Umstand darf dann bei der Gebühr nicht noch einmal berücksichtigt werden.
- Allerdings ist ein Überschreiten der 0,7-Geschäftsgebühr (Mittelgebühr) wegen des Umfangs der Tätigkeit gerechtfertigt, wenn diese Annahme des Gesetzgebers im konkreten Fall nicht zutrifft. Umgekehrt gilt: Hat die Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren einen Umfang, der dem Umfang bei einer ausschließlichen Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren entspricht, so wird in Anbetracht des reduzierten Gebührenrahmens der Ansatz der 1,3-Geschäftsgebühr gerechtfertigt sein.
OLG Naumburg, Beschl. v. 31.3.2010 – 1 Verg 7/10
1 Sachverhalt
Die Antragsgegnerin schrieb im offenen Verfahren Bewachungs- und Sicherheitsaufgaben im Bereich des Universitätsklinikums und der Räumlichkeiten der medizinischen Fakultät aus. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene gaben Angebote ab. Den Zuschlag sollte die Beigeladene erhalten. Die Antragstellerin beantragte die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor der 1. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes. Mit Beschluss hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig verworfen und teilweise als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners und der Beigeladenen der Antragstellerin auferlegt, sowie die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig erklärt. Im weiteren Verfahren erhielt auch die Beigeladene den Zuschlag nicht, der Auftrag wurde an ein Drittunternehmen vergeben.
Mit Schriftsatz v. 9.11.2009 beantragte die Antragsgegnerin Kosten i.H.v. 6.268,78 EUR gegen die Antragstellerin festzusetzen. Die Antragsgegnerin ging dabei von einem Streitwert von 204.380,18 EUR aus und begehrte (u.a.) eine 2,0-Verfahrensgebühr gem. Nr. 2300 VV.
In dem angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer die der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 2.325,26 EUR festgesetzt. Die Vergabekammer geht dabei von einem Streitwert bis zu 230.000,00 EUR aus. Die Verfahrensgebühr könne aber nicht gem. Nr. 2300 VV festgesetzt werden, sondern nur nach Nr. 2301 VV, weil die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bereits im Vergabeverfahren selbst tätig geworden seien. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die anwaltliche Tätigkeit in Vergabeverfahren grundsätzlich immer als überdurchschnittlich schwierig angesehen werden müsse, was auch der vorliegende Fall zeige, sei eine Verfahrensgebühr im Rahmen von 0,5 bis 1,3 i.H.v. 1,0 angemessen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie rügt den von der Vergabekammer angenommenen Streitwert von bis zu 230.000,00 EUR. Man könne weder die Angebotssumme der Antragstellerin für drei Jahre (Laufzeit des Vertrages) und schon überhaupt nicht für vier Jahre (gemäß der Optionsklausel) zugrunde legen. Maßgeblich sei allein das in dem Angebot angegebene Entgelt. Die Vergabekammer stelle zwar richtig auf Nr. 2301 VV ab, im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit sei aber allenfalls die Zuerkennung einer Mittelgebühr von 0,7 gerechtfertigt. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass durch das Vergabenachprüfungsverfahren der Zuschlag an die Beigeladene verhindert worden sei, weil auch diese kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben habe.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Soweit die Vergabekammer grundsätzlich von einem Streitwert von bis zu 230.000,00 EUR ausgeht, ist dies nicht zu beanstanden. Der Streitwert ist ausgehend vom Bruttoauftragswert zu bestimmen (§ 50 Abs. 2 GKG). Wie der Senat bereits an anderer Stelle entschieden hat, ist dann, wenn die Antragstellerin ein konkretes Angebot abgegeben hat, auf diesen Wert abzustellen (z.B. Senat, Beschl. v. 1.10.2009 – 1 Verg 6/09). Die Auftragssumme der Antragstellerin beträgt für ein Jahr 1.020.120,98 EUR. Angeboten wurde eine Dienstleistung, sodass für die Schätzung des Auftragswertes § 3 Abs. 6 VgV zu berücksichtigen ist (OLG München, Beschl. v. 13.8.2008 – Verg 8/08). Danach ist der Auftragswert aufgrund des größtmöglichen Auftragswertes unter Einbeziehung der Optionsrechte zu schätzen. Ausgehend von den Ausschreibungsbedingungen sind somit die gesamte Vertragslaufzeit von drei Jahren und die Option von einem Jahr mit einzubeziehen:
5 % von 1.020.120,98 EUR = |
51.006,05 EUR |
x 4 Jahre = |
204.024,20 EUR |
Damit ist – wie von der Vergabekammer angenommen – die Gebührenstufe bis 230.000,00 EUR gegeben.
Zutreffend – und von der Beschwerde nicht beanstandet – geht die Vergabekammer nicht vom Gebührentatbestand der Nr. 2300 VV aus, sondern lediglich von Nr. 2301 VV, weil die Verfahrensbevollmächtigten de...