ZPO §§ 4, 511
Leitsatz
Soweit das Erstgericht die Klage wegen eines Anspruchs auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten abgewiesen hat, bleibt der Wert dieser Forderung bei der Berechnung des für die Berufung des Beklagten maßgeblichen Beschwerdewerts (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unberücksichtigt.
BGH, Beschl. v. 5.4.2011 – VI ZB 61/10
1 Sachverhalt
Der Kläger begehrt Ersatz weiteren materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall. Der Kaskoversicherer erstattete den Fahrzeugschaden von 5.328,00 EUR unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR. Mit der Klage hat der Kläger den Restbetrag von 150,00 EUR, Nutzungsausfall in Höhe von 650,00 EUR, pauschale Unkosten von 25,00 EUR, die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten, die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten wegen der Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegenüber der Kaskoversicherung sowie ein Schmerzensgeld von 200,00 EUR begehrt. Das AG hat der Klage unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 % stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der zuerkannte Betrag von 671,04 EUR setzt sich aus folgenden Positionen zusammen: 150,00 EUR Selbstbeteiligung, 325,00 EUR Nutzungsausfall, 12,50 EUR anteilige Unkostenpauschale, 100,00 EUR Schmerzensgeld sowie 83,54 EUR anteilige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG die Berufung als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstands übersteige 600,00 EUR nicht, denn die noch im Streit befindlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten seien als Nebenforderungen bei der Wertberechnung nicht zu berücksichtigen. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 S. 4, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des BGH geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach zutreffend entschieden hat (vgl. § 574 Abs. 2 ZPO).
2. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit Recht als unzulässig verworfen, denn der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600,00 EUR nicht (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die mit der Klage verlangten vorgerichtlichen Kosten der Geltendmachung der Ersatzansprüche gegenüber der Kaskoversicherung des Klägers bei der Ermittlung des Beschwerdewerts nicht zu berücksichtigen.
a) Allerdings sind vorprozessuale Anwaltskosten als streitwerterhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, wenn sie sich auf einen Anspruch beziehen, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist (Senatsbeschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, VersR 2009, 806 <= AGS 2009, 344>). Das ist vorliegend hinsichtlich der durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entstandenen Anwaltskosten ursprünglich der Fall gewesen. Der für die Zulässigkeit der Berufung maßgebliche Umfang der Beschwer beurteilt sich indessen nicht nach dem Streitwert in erster Instanz, sondern nach dem Betrag, um den der Berufungskläger durch das Urteil der ersten Instanz in seinem Recht verkürzt zu sein behauptet und in dessen Höhe er mit seinem Berufungsantrag Abänderung des Urteils beantragt (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 511 Rn 13). Demgemäß ist bei einer unbeschränkt eingelegten Berufung des Beklagten der Wert seiner Beschwer nach dem Umfang der erstinstanzlichen Verurteilung zu bemessen (BGH, Beschl. v. 8.10.1982 – V ZB 9/82, NJW 1983, 1063).
b) Soweit die Beklagten durch das Urteil des AG zum Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten verurteilt worden sind, handelt es sich um eine nicht werterhöhende Nebenforderung i.S.v. § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO, denn diese Kosten betreffen ausschließlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind (vgl. Senatsbeschl. v. 11.3.2008 – VI ZB 9/06, NJW-RR 2008, 898 m.w.N.). Einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten wegen der Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegenüber der Kaskoversicherung des Klägers hat das AG verneint. Da es die Klage wegen dieses Anspruchs abgewiesen hat, sind die Beklagten insoweit nicht beschwert. Mithin bleibt der Wert dieser Forderung bei der Berechnung des für die Berufung maßgeblichen Beschwerdewerts (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unberücksichtigt.
3. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht eine Entscheidung darüber hätte nachholen müssen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind.
a) Das AG hat über die Zulassung der Berufung nicht ausdrücklich entschieden. Das Fehlen einer ausdrücklichen Entscheidung bedeutet grundsätzlich die Nichtzulassung der Berufung (vgl. MüKoZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 511 Rn 86; Zöller/Heßler, a.a.O. Rn 39). Enthält ein Urteil keinen Ausspruch über die Zulassung der Berufung, kann dieser im Wege eines Berichtigungsbeschlusses ...