Die zutreffende Wertfestsetzung in einstweiligen Anordnungsverfahren auf Unterhalt stößt bei vielen Familienrichtern auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes werden die "neuen" Bewertungsvorschriften immer noch nicht zur Kenntnis genommen. Bevorzugt wird in einstweiligen Anordnungsverfahren der Wert auf den Sechsmonatsbezug festgesetzt: Dies stehe im Gesetz und sei auch schon immer so gewesen! Beides ist unzutreffend. Vom Sechsmonatswert steht nichts (mehr) im Gesetz und es war auch nicht immer schon so. Nach § 53 Abs. 2 GKG a.F. war zwar für einstweilige Anordnungsverfahren vom Sechsmonatsbezug auszugehen; dies betraf jedoch nur die zukünftig geforderten Unterhaltsbeträge. Nach einhelliger Auffassung waren schon damals die bei Einreichung fälligen Beträge gem. § 42 Abs. 5 GKG a.F. hinzuzuaddieren (z.B. OLG Köln AGS 2004, 164), auch wenn dem in der Praxis kaum Beachtung geschenkt worden war.
Seit Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes gibt es keine besondere Wertvorschrift für einstweilige Anordnungen in Unterhaltssachen mehr. Maßgebend für die Wertbestimmung ist die allgemeine Wertvorschrift des § 41 FamGKG, die wie folgt lautet:
"1Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen."
2Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.“
Ungeachtet des Gesetzeswortlauts wird teilweise dennoch weiterhin auf den sechsmonatigen Bezug abgestellt. Hierfür werden verschiedene Begründungen gefunden, denen gemein ist, dass sie mit dem Gesetz nichts zu tun haben. So ist davon die Rede, dass es sich im einstweiligen Anordnungsverfahren bei dem hälftigen Hauptsachewert um den "Regelwert" handele. Manche Gerichte machen sich dann noch die Mühe festzustellen, dass keine Anhaltspunkte für das Abweichen vom Regelwert vorliegen (so OLG München AGS 2011, 306 – in diesem Heft).
Ein wacher Blick ins Gesetz zeigt, dass die Gesetzessystematik eine andere ist: In allen einstweiligen Anordnungsverfahren ist Ausgangspunkt stets der Hauptsachewert.
Nur unter den Voraussetzungen des § 41 FamGKG kann in einstweiligen Verfahren vom Hauptsachewert abgewichen werden, wenn im Einzelfall die einstweilige Anordnung eine geringere Bedeutung als die Hauptsache hat. Im Hinblick auf § 49 FamFG wird man in den meisten Fällen eine geringere Bedeutung begründen können, da eine einstweilige Anordnung nach § 49 Abs. 2 FamFG grundsätzlich einen Zustand sichern oder vorläufig regeln soll. In Unterhaltssachen verhält es sich anders. Die Vorschrift des § 49 Abs. 2 FamFG ist gar nicht anwendbar, wird vielmehr durch § 246 FamFG ausgeschlossen bzw. modifiziert. Nach § 246 FamFG kann in Unterhaltssachen nämlich nicht nur eine Sicherung oder vorläufige Regelung, sondern Unterhaltszahlung verlangt werden. Es wird demnach bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren der Hauptsacheanspruch geltend gemacht. Dies spricht von Vornherein gegen eine geringere Bedeutung.
Einstweilige Anordnungen auf Unterhalt werden in aller Regel auch nie befristet (also vorläufig) verlangt, sondern endgültig, sodass sich auch hieraus keine geringere Bedeutung ergibt.
Wird die einstweilige Anordnung isoliert, also ohne Hauptsacheantrag erhoben, gibt der Antragsteller dadurch zusätzlich zu erkennen, dass er der einstweiligen Anordnung keine geringere Bedeutung beimisst, anderenfalls er zugleich auch Hauptsacheklage erhoben hätte.
Einstweilige Anordnungen auf Unterhalt wirken dauerhaft. Sie können die Unterhaltsfrage weit über den Jahreszeitraum des § 51 Abs. 1 FamGKG hinausgehend klären. Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, in isolierten einstweiligen Anordnungsverfahren auf Unterhalt grundsätzlich eine geringere Bedeutung anzunehmen. Zutreffend haben dies immerhin das OLG Düsseldorf (AGS 2010, 105 = NJW 2010, 1385) und das AG Lahnstein (AGS 2010, 264) erkannt.
Wenn man Entscheidungen wie die des OLG München (S. 306 in diesem Heft) liest, die von einem hälftigen Regelwert ausgehen und für eine Heraufsetzung keine Anhaltspunkte sehen, fragt man sich, ob die Gerichte den Gesetzeswortlaut überhaupt gelesen haben, weil er nämlich genau das Gegenteil anordnet. Es ist grundsätzlich als "Regelwert" von der Hauptsache auszugehen. Die geringere Bedeutung muss positiv festgestellt werden, auch wenn sie in manchen einstweiligen Anordnungen der Regelfall sein kann.
Ist im Einzelfall einmal von einer geringeren Bedeutung auszugehen und mangels anderweitiger Umstände vom hälftigen Hauptsachewert, dann bestehen aber ebenso große Schwierigkeiten, den hälftigen Hauptsachewert zu ermitteln. Dieser beträgt nämlich nicht automatisch immer sechs Monate. Vielmehr ist zu fragen, welcher Wert im Falle eines Hauptsacheantrags gelten würde. Dabei ist § 51 Abs. 2 FamGKG zu berücksichtigen. Bei Einreichung fällige Beträge – und dazu gehört nach § 1612 Abs. 3 BGB der bereits laufende Monat – sind dem Wert der zukünftigen Leistung hinzuzurechn...