BGB § 546a Abs. 1; ZPO §§ 3, 9; GKG §§ 41 Abs. 1, Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
- Bei einer Klage auf künftige Leistung, der der mietrechtliche Nutzungsentschädigungsanspruch gem. § 546a Abs. 1 BGB wegen nicht rechtzeitiger Räumung und Herausgabe zugrunde liegt, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO und nicht nach § 9 ZPO.
- Maßgeblich für die Bemessung des Gebührenstreitwerts ist danach der unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Prozess- und Vollstreckungsdauer zu schätzende Zeitraum bis zum Vollzug der Räumung, wobei insoweit die jeweiligen Gegebenheiten des Bezirks zu berücksichtigen sind.
OLG Hamm, Beschl. v. 20.2.2019 – 30 W 5/19
1 Sachverhalt
Die Klägervertreterin begehrt mit der weiteren Beschwerde, den Streitwert des klägerischen Antrags auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung nach dem 42-fachen Monatsbetrag der Nutzungsentschädigung zu bemessen.
Mit ihrer Klage v. 23.3.2018 nahm die Klägerin den Beklagten nach Kündigung des Mietvertrages auf Räumung und Herausgabe von einer in C gelegenen Wohnung (Antrag zu 1), auf Zahlung rückständiger Miete (Antrag zu 2) und auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung i.H.v. monatlich 364,70 EUR ab dem Monat Juli 2018 bis zur tatsächlichen Räumung (Antrag zu 3) in Anspruch. Das AG hat den Beklagten durch (rechtskräftiges) Versäumnisurt. v. 14.6.2018 antragsgemäß verurteilt und den Streitwert für den Klageantrag zu 3) auf 2.917,60 EUR (8 x 364,70 EUR) festgesetzt. Zur Begründung hat das AG auf die Rspr. der 9. Zivilkammer des LG Bochum (Beschl. v. 20.4.2017 – 9 T 8/17) verwiesen, welche acht Monatsmieten veranschlage.
Mit Beschwerde hat die Beschwerdeführerin aus eigenem Recht die Heraufsetzung des Streitwertes bezüglich des Klageantrags zu 3) auf 42 x 364,70 EUR, insgesamt 15.317,40 EUR, begehrt. Sie hat zudem beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Der Streitwert der künftigen Nutzungsentschädigung sei – so die Auffassung der Beschwerdeführerin – auf den 42-fachen Betrag der monatlichen Nutzungsentschädigung festzusetzen, da er sich nach § 9 ZPO bemesse.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem LG zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, es sei nicht § 9 ZPO, sondern § 3 ZPO einschlägig, sodass der Streitwert nach freiem Ermessen des Gerichts zu schätzen sei. Im Hinblick auf abweichende Entscheidungen von Instanzgerichten und von Obergerichten sei die weitere Beschwerde zuzulassen.
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin aus eigenem Recht mit der weiteren Beschwerde. Zur Begründung verweist sie auf ihre Beschwerdeschrift.
Das LG hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Die weitere Beschwerde ist vom LG zugelassen und fristgerecht eingelegt worden, §§ 66 Abs. 4, 68 Abs. 1 S. 6 GKG, § 32 Abs. 2 RVG.
2. Sie ist jedoch unbegründet. Das LG hat die Beschwerde rechtsfehlerfrei (§§ 66 Abs. 4 S. 2, 68 Abs. 1 S. 5 GKG; § 546 ZPO) zurückgewiesen.
a) Maßgebend zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts sind gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG die Regelungen der Zivilprozessordnung zum Zuständigkeitsstreitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 41 GKG regelt den Gebührenstreitwert für Miet-, Pacht- und ähnliche Nutzungsverhältnisse. Wird jedoch – wie hier – nicht über Bestand oder Dauer eines Mietverhältnisses gestritten, sondern über eine Zahlungsverpflichtung, ist § 41 Abs. 1 GKG nicht einschlägig (BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, NJW-RR 2005, 938). Auch § 41 Abs. 2 GKG stellt keine vorgehende Sonderregelung dar, da dieser sich lediglich auf Räumungs- und Herausgabeansprüche bezieht. Der Gebührenstreitwert bestimmt sich daher gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG nach dem Zuständigkeitsstreitwert, der in den §§ 3–9 ZPO geregelt ist.
b) Der Wert war hier gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen anhand des monatlich zu zahlenden Nutzungsentgelts nach der zu schätzenden weiteren Nutzungszeit festzusetzen, da keine der Sonderregelungen der §§ 4–9 ZPO einschlägig ist.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 9 ZPO auf Zahlungsanträge hinsichtlich zukünftiger Nutzungsentschädigung bis zur Räumung werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Zum Teil wird § 9 ZPO für anwendbar gehalten (OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2008 – 33 W 18/07, FamRZ 2008, 1208 [= AGS 2008, 358]; LG Berlin, Beschl. v. 8.11.2016 – 67 S 285/16, AGS 2017, 126).
Nach überwiegender Auffassung ist der Streitwert einer Klage auf Nutzungsentschädigung nach Beendigung des Mietverhältnisses bis zur vollständigen Räumung auf der Grundlage von § 3 ZPO anhand des monatlich zu zahlenden Nutzungsentgelts nach der (zu schätzenden) weiteren Nutzungszeit zu ermitteln (OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.1.2006 – 2 W 94/06, NZM 2006, 540; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2006 – 24 W 65/05, ZMR 2006, 517 [= AGS 2007, 46]; KG, Beschl. v. 20.12.2006 – 12 W 66/06, NJW-RR 2007, 1579; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U...