FamFG §§ 76 ff.; ZPO §§ 114 ff.; FamGKG-KostVerz. Nr. 9008
Leitsatz
Ist eine bedürftige Partei vom Revisionsgericht nicht persönlich geladen, so kann sie aus der Landeskasse die Übernahme ihrer Reisekosten nur verlangen, wenn ihr die Teilnahme am Termin nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens billigerweise nicht abgeschlagen werden kann.
BGH, Beschl. v. 17.12.2019 – IV ZR 240/18
1 Aus den Gründen
Der Antrag der Klägerin, ihr Reisekosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu bewilligen, bleibt ohne Erfolg.
Auf die Bewilligung der Reisekosten sind die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO anzuwenden. Dabei ist auch die Notwendigkeit der Reise zu prüfen (Senatsbeschl. v. 19.3. 1975 – IV ARZ (VZ) 29/74, BGHZ 64, 139, 143 [juris Rn 8]). Sie ist immer anzunehmen, wenn die Partei zu dem Termin geladen ist. Ist das – wie hier – nicht der Fall, so hat das Gericht zu prüfen, ob der Partei die aus eigenen Mitteln nicht zu bestreitende Anreise zum Termin nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens billigerweise abgeschlagen werden kann (vgl. a.a.O.). Dabei hat es ihren allgemeinen grundgesetzlichen Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das einfachgesetzlich gewährte Recht zur Stellungnahme gem. § 137 Abs. 4 ZPO einerseits und die Möglichkeit der ausreichenden Vertretung durch den beigeordneten Rechtsanwalt andererseits gegeneinander abzuwägen (vgl. a.a.O.). Dabei sind auch die Bedeutung der Sache und das mutmaßliche Verhalten einer nicht mittellosen, auf verständige Wahrnehmung ihrer Rechte bedachten Partei zu berücksichtigen (a.a.O. S. 144).
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist der Antrag abzulehnen. Die Klägerin ist in diesem Verfahren durch den ihr im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt ausreichend vertreten. Denn der BGH ist im Revisionsverfahren reine Rechtsinstanz; Tatsachenfragen stehen nicht zur Entscheidung. Deshalb kommt dem in Anwaltsprozessen auch einer Naturalpartei zustehenden Vortragsrecht (§ 137 Abs. 4 ZPO) im Revisionsverfahren nicht das gleiche Gewicht zu wie in einer Verhandlung vor einer Tatsacheninstanz. Die Bedeutung der Sache für die Klägerin, der Anspruch auf Krankenhaustagegeld i.H.v. 775,32 EUR, ist nach objektiven Maßstäben nicht so hoch anzusiedeln wie ein die Existenz einer Partei betreffendes Rechtsschutzbegehren. Schließlich würde in diesem Revisionsverfahren auch ein nicht mittelloser, auf verständige Wahrnehmung seiner Rechte bedachter Beteiligter im Hinblick auf die Vertretung durch seinen Rechtsanwalt nicht auf eine für ihn kostenpflichtige Teilnahme an der Revisionsverhandlung bestehen.
AGS 6/2020, S. 282 - 283