GKG § 21
Leitsatz
Ein schwerer Verfahrensverstoß, der gem. § 21 GKG eine Niederschlagung der Gerichtskosten rechtfertigt, ist zu bejahen, wenn mehrere Aufforderungen zur Überprüfung einer unrichtigen Rechtsauffassung missachtet werden und eine Partei hierdurch in eine begründete Berufung getrieben wird.
OLG Celle, Urt. v. 12.2.2020 – 14 U 178/19
1 Aus den Gründen
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete, Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Einzelrichterin des LG hat zu Unrecht tenoriert, dass die Klage i.Ü. abgewiesen wird und eine fehlerhafte Kostenentscheidung getroffen. Die Klägerin ist in dem streitgegenständlichen Rechtsstreit nicht unterlegen. Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten aufzuerlegen.
Die Klägerin hat mit ihrem Klageantrag zu 1) von der Beklagten ein Schmerzensgeld bezahlt verlangt, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, sowie mit ihrem Klageantrag zu 2) die Zahlung von materiellen Schadensersatz i.H.v. 583,41 EUR begehrt und mit ihrem Klageantrag zu 3) die Feststellung beansprucht, dass die Beklagte zur zukünftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzpflicht aus dem Unfallgeschehen verpflichtet ist, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Ihre Schmerzensgeldvorstellungen hat die Klägerin in der Klageschrift auf 8.000,00 EUR abzüglich vorprozessual bereits gezahlter 2.000,00 EUR, mithin auf 6.000,00 EUR, beziffert. In der mündlichen Verhandlung hat die Einzelrichterin darauf hingewiesen, dass ein Schmerzensgeldbetrag von bis zu 12.000,00 EUR angemessen sein dürfte. Auf Anraten des Gerichts haben die Parteien sodann einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtete, einen Betrag von 8.000,00 EUR als weiteres Schmerzensgeld zu zahlen (insgesamt also 10.000,00 EUR); von den Kosten des Rechtsstreits sollte die Klägerin 25 % tragen. Unstreitig haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung die Kostenquote zuvor diskutiert, wobei der Beklagtenvertreter erklärt hatte, eine 100 %-ige Kostenübernahme durch die Beklagte könne er im Vergleichswege nicht durchsetzen. Der Streitwert ist auf 12.000,00 EUR festgesetzt worden. Die Klägerin hat sich eine Widerrufsmöglichkeit vorbehalten, die sie fristgerecht wahrgenommen hat. Die Klägerin hat den Widerruf des Vergleichs damit begründet, dass die Kostenverteilung zu Erstattungsproblemen im Hinblick auf die gewährte Prozesskostenhilfe führen könnte. Sie hat sich zum erneuten Vergleichsabschluss unter der Maßgabe bereit erklärt, dass die Kostenentscheidung dem Gericht vorbehalten bleibe. Es wurde dann gem. § 128 Abs. 2 ZPO verfahren.
Mit dem angefochtenen Urteil hat die Einzelrichterin die Beklagte zur Zahlung von weiteren 8.000,00 EUR als Schmerzensgeld sowie von 583,41 EUR, jeweils nebst Zinsen verurteilt, sowie festgestellt, dass die Beklagte zur künftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzleistung anlässlich des streitgegenständlichen Unfallgeschehens verpflichtet ist, soweit kein Übergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist. I.Ü. hat sie die Klage abgewiesen. Die Kostenquote von 28 % zu 72 % zulasten der Beklagten folge aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Mit Schriftsatz v. 6.9.2019 hat die Klägerin gem. §§ 319, 320 ZPO eine Berichtigung des Tenors und des Tatbestands dahin beantragt, dass sie nur ein Schmerzensgeld i.H.v. 8.000,00 EUR insgesamt begehrt habe, sodass es nicht zu einem Teilunterliegen gekommen sei. Mit Beschl. v. 25.9.2019 hat die Einzelrichterin diesen Antrag zurückgewiesen, weil die Kostenquote zutreffend berechnet worden sei unter Berücksichtigung des Streitwertes. In der mündlichen Verhandlung habe der Klägervertreter ein Schmerzensgeld i.H.v. 12.000,00 EUR für angemessen erachtet.
Die Tenorierung zur Klagabweisung i.Ü. und die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil erfolgten fehlerhaft.
a) Der Kläger hat bei einem unbezifferten Antrag die Kostenfolge zu tragen, wenn sein Mindestbetrag im Urteil nicht erreicht wird (BGH MDR 2016, 788; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., zu § 3 Rn 16 – Stichwort "Unbezifferte Klageanträge"). Vorliegend ist der Mindestbetrag der Klägerin von 6.000,00 EUR jedoch überschritten worden, weil die Einzelrichterin weitere 8.000,00 EUR ausgeurteilt hat. Auf deren Vorstellungen zur angemessenen Schmerzensgeldhöhe kommt es an dieser Stelle für die Beurteilung der Beschwer nicht an. Damit ist die Klägerin mit dem angefochtenen Urteil nicht beschwert worden, soweit es ihren Schmerzensgeldantrag betrifft (vgl. BGH, Beschl. v. 30.9.2003 – VI ZR 78/03, Rn 4, zitiert nach juris). Ihrem Antrag zum materiellen Schadensersatz ist vollumfänglich stattgegeben worden ebenso wie ihrem Feststellungsantrag. Damit ist die Klägerin in dem Rechtsstreit in keiner Weise unterlegen. Es war folglich fehlerhaft, die Klage "im Übrigen abzuweisen". Die Kostenentscheidung hätte gem. § 91 Abs. 1 ZPO dahin zu erfolgen gehabt, dass die Beklagte als unterliegende Partei die gesamten Kosten de...