§ 51 RVG
Leitsatz
Mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG ist für die Frage der Gewährung einer Pauschgebühr für die Hauptverhandlung darauf abzustellen, ob die Höhe des Entgelts für die im Rahmen der Hauptverhandlung entfaltete Tätigkeit wegen für längere Zeit währender ausschließlicher oder fast ausschließlicher Inanspruchnahme für den Pflichtverteidiger von existenzieller Bedeutung ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.3.2021 – III-3 AR 90/20
I. Sachverhalt
Die Rechtsanwältin war Nebenklägerbeistand im Loveparade-Verfahren. Sie hat nach Abschluss des Verfahrens eine Pauschgebühr nach § 51 RVG i.H.v. 285.000,00 EUR für das gesamte Verfahren beantragt. Hilfsweise beansprucht sie Pauschgebühren für einzelne Verfahrensabschnitte, nämlich anstelle der Grundgebühr Nr. 4100 VV eine Pauschgebühr von 108.180,00 EUR, anstelle der Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV eine Pauschgebühr von 38.351,98 EUR sowie eine Pauschgebühr von 140.962,50 EUR anstelle von Terminsgebühren Nrn. 4114, 4116, 4118 VV. Die Hauptverhandlung in dem Verfahren hat in der Zeit vom 8.12.2017 bis zum 4.5.2020 an insgesamt 184 Sitzungstagen stattgefunden, von denen die Antragstellerin an 169 Tagen teilgenommen hat. Das OLG hat anstelle der Grundgebühr Nr. 4100 VV eine Pauschgebühr von 40.000,00 EUR gewährt.
II. Sinn und Zweck des § 51 RVG
Nach Auffassung des OLG liegen die Voraussetzungen einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG weder in der beantragten Gesamtsumme noch für jeden einzelnen Verfahrensabschnitt vor. Die Bestellung zum Pflichtverteidiger sei eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Sinn der Pflichtverteidigung sei es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Ihr Zweck bestehe ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhalte und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet werde. Angesichts der umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für die Wahrnehmung dieser im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe habe der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Der Umstand, dass sein Vergütungsanspruch unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, sei durch einen vom Gesetzgeber i.S.d. Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt sei. In Strafsachen, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, gewinne die Höhe des Entgelts für den Pflichtverteidiger existenzielle Bedeutung. Für solche besonderen Fallkonstellationen gebiete das Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung eine Regelung, die sicherstelle, dass ihm die Verteidigung kein unzumutbares Opfer abverlange. Dieses Ziel stelle § 51 Abs. 1 RVG sicher (vgl. BVerfGE 68, 237, 255; BVerfG RVGreport 2007, 263 = NJW 2007, 3420; RVGreport 2020, 13 = NJW 2019, 3370 m.w.N.; OLG Düsseldorf RVGreport 2016, 99; RVGreport 2018, 213).
III. Grundgebühr Nr. 4100 VV
Auf dieser Grundlage hat das OLG die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung lediglich anstelle der Grundgebühr Nr. 4100 VV gem. § 51 RVG als gegeben angesehen und insoweit eine Pauschgebühr von 40.000,00 EUR gewährt. In verschiedenen anderen Entscheidungen habe der Senat die jeweils gewährte Pauschvergütung von 40.000,00 EUR auf einen von den ebenfalls im Loveparade-Verfahren tätigen Pflichtverteidigern bzw. Nebenklägerbeiständen plausibel und glaubhaft vorgetragenen Einarbeitungsaufwand von ca. 1.000 Stunden gestützt. Im vorliegenden Verfahren gehe man davon aus, dass die Rechtsanwältin sich ebenfalls mit einem ähnlichen Zeitaufwand in die auch für sie identischen Verfahrensakten eingearbeitet hat. Soweit die Antragstellerin geltend mache, sie sei mit dieser Arbeit sogar 1.500 Stunden beschäftigt gewesen, sei dieser deutliche Mehraufwand nicht nachvollziehbar. Es erscheine nicht rechtfertigt, die bisherige Gleichbehandlung zahlreicher Verteidiger und Nebenklägerbeistände in diesem Punkt aufzugeben und der Rechtsanwältin eine über 40.000,00 EUR hinausgehende Pauschgebühr anstelle der gesetzlichen Grundgebühr nach Nr. 4100 VV zuzubilligen.
IV. Terminsgebühren
Für die Terminsgebühren nach Nr. 4114 VV hat das OLG die Voraussetzung des § 51 RVG verneint. Mit Blick auf die bundesverfassungsgerichtliche Rspr. (vgl. oben I. 1.) stellt das OLG in seiner Rspr. darauf ab, ob die Höhe des Entgelts für die im Rahmen der Hauptverhandlung entfaltete Tätigkeit wegen für längere Zeit währender ausschließlicher oder fast ausschließlicher Inanspruchnahme für den Pflichtverteidiger von existenzieller Bedeutung ist. Nach gefestigter Rspr. des Senats (vgl. dazu OLG Düsseldorf RVGreport 2016, 99; 2018, 213) beurteile sich dies im Kern nach der...