1. Keine Rechtsfehler des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht hat unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Grundsätze in tatrichterlicher Würdigung angenommen, dass die Tätigkeit des Klägers betreffend den Gesamtschuldnerausgleich in derselben Angelegenheit erfolgte wie seine Tätigkeit bezüglich der übrigen finanziellen Auswirkungen der Trennung und der Scheidung. Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen.

Eine gesonderte Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit hinsichtlich des Gesamtschuldnerausgleichs steht dem Kläger nicht zu. Vielmehr handelt es sich bei der außergerichtlichen Vertretung hinsichtlich der verschiedenen Familiensachen (Nutzungsentschädigung, Unterhalt und Gesamtschuldnerausgleich) um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG. Daher kann die Geschäftsgebühr gem. § 15 Abs. 2 RVG insgesamt nur einmal aus dem Gesamtwert verlangt werden.

2. Dieselbe Angelegenheit

Nach der Rspr. des BGH lässt sich die Frage, ob der Rechtsanwalt in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit oder in mehreren tätig geworden ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (BGH NJW 2014, 2126 Rn 14; NJW 2018, 3586 Rn 8). Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann grds. auch dann noch vorliegen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird.

3. Abgrenzung zum Gegenstand

Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grds. aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen – zum Beispiel in einem einheitlichen Abmahnschreiben – geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen den anwaltlichen Leistungen ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (BGH ZIP 2020, 242 Rn 24; vgl. auch BGH AGS 2016, 61 Rn 3; NJW 2019, 1522 Rn 17).

4. Keine Anwendung des § 16 Nr. 4 RVG

Auf die Frage der Anwendung des § 16 Nr. 4 RVG kommt es nicht an, dass der Gesamtschuldnerausgleich zwischen Ehegatten keine Folgesache ist.

5. Kein Vergleich mit Beratungshilfemandaten

Die Rspr., welche zu der Frage ergangen ist, ob der Rechtsanwalt Ansprüche gegen die Staatskasse nach dem BerHG geltend machen kann, ist zur Auslegung des § 15 Abs. 2 RVG nicht heranzuziehen. Das Tatbestandsmerkmal der Angelegenheit gem. § 15 Abs. 2 RVG und das der Angelegenheit i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 BerHG betreffen unterschiedliche Sachverhalte und sind nicht einheitlich auszulegen. Wenn zur Bestimmung der Höhe des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegen den Mandanten verschiedene Gegenstände zu einer Angelegenheit zusammengefasst werden, werden die Werte der Gegenstände addiert. Demgegenüber kann der Rechtsanwalt nach dem BerHG gegen die Staatskasse für jede Angelegenheit lediglich Festgebühren geltend machen. Je mehr Gegenstände unter den Begriff einer Angelegenheit zusammengefasst werden, desto mehr wird der Anwalt durch die in der Beratungshilfe ohnehin niedrigen Gebühren belastet. Deswegen hat das BVerfG darauf verwiesen, es spreche aus verfassungsrechtlicher Sicht viel dafür, im Rahmen der Beratungshilfe verschiedene Gegenstände im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung nicht als dieselbe Angelegenheit anzusehen (BVerfG AGS 2002, 273).

6. Beurteilung anhand allgemeiner Kriterien

Die Frage, ob ein Rechtsanwalt für den Mandanten im Zusammenhang mit einer Trennung und Scheidung außergerichtlich in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit tätig geworden ist, ist deswegen allein anhand allgemeiner Kriterien zu beurteilen. Im Schrifttum werden insoweit unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Einerseits wird ausgeführt, jedenfalls bei der Scheidungssache und den Verbundsachen i.S.v. § 137 FamFG handele es sich um eine gebührenrechtliche Angelegenheit, auch wenn der Mand...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?