1. Gesetzliche Regelung
Neben der von den Klägern für richtig gehaltenen Vergütung für eine Beratung nach § 34 Abs. 1 RVG war hier die Berechnung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV denkbar, die der beklagte Rechtsanwalt für zutreffend angesehen hat. Nach Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV entsteht die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Diese Geschäftsgebühr fällt, wenn sich der Auftrag nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt, mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 nach dem hierfür maßgeblichen Gegenstandswert an.
2. Entwurf zweier abgestimmter Testamente
Gegenstand des bereits vorstehend erwähnten Urteils des IX. ZS des BGH vom 22.2.2018 (AGS 2018, 165 = RVGreport 2018, 218 [Hansens]) war die auftragsgemäße Fertigung zweier abgestimmter Testamente für zwei in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Personen. In jenem Urteil hatte der BGH entschieden, dass diese Tätigkeit weder ein Betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags i.S.d. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV darstelle. Dies hat der BGH damit begründet, die Beratung und der Entwurf eines Testaments beträfen jeweils nur den Mandanten, der das Testament errichten wolle. Gleiches gelte auch für das in jenem Fall vorliegende auftragsgemäße Entwerfen zweier aufeinander abgestimmter Testamente. Der BGH hatte seinerzeit argumentiert, beide in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebenden Personen hätten dem Rechtsanwalt den Auftrag erteilt, sodass Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit kein außerhalb des Mandats stehender Dritte gewesen sei. Auch die Mitwirkung an einem Vertrag i.S.d. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV schied in jenem Fall aus, weil die beiden Testamente zwar aufeinander bezogen waren, jedoch keine rechtlichen Bindungen erzeugten.
3. Gemeinschaftliches Testament
Unter Hinweis auf diese Entscheidung vom 22.2.2018 hat der IX. ZS des BGH in seinem jetzigen Urteil entschieden, dass der Auftrag, ein gemeinschaftliches Testament zu entwerfen, ebenfalls keine Geschäftsgebühr auslöst. Diese Gebührenrechtsfrage ist allerdings äußerst umstritten.
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Rspr. und Lit. gehen wohl überwiegend davon aus, dass dem Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV anfällt (OLG Frankfurt AGS 2015, 505; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, 8. Aufl., § 34 Rn 17; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Aufl., § 34 RVG Rn 14 und Nr. 2300 VV RVG Rn 17; Riedel/Sußbauer/H. Schneider, RVG, 10. Aufl., Nr. 2300 VV RVG Rn 22; Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl., Vorbem. 2.3 VV RVG Rn 40 ff; Schons, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., Vorbem. 2.3 VV RVG Rn 21 f.: Ruby, ZEV 2018, 410; Kamps, ErbR 2018, 313, 315, 317; Madert, AGS 2005, 2, 5). Dies wird weitgehend damit begründet, das gemeinschaftliche Testament sei mit seinen wechselbezüglichen Verfügungen als Vertrag i.S.v. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV anzusehen. |
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Das OLG Düsseldorf (AGS 2012, 454 = JurBüro 2012, 585 m. Anm. Enders) will demgegenüber die Geschäftsgebühr nur dann zubilligen, wenn der Entwurf überhaupt wechselbezügliche Verfügungen enthält. |
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Die Gegenmeinung lehnt den Anfall der Geschäftsgebühr ab, weil ein gemeinschaftliches Testament auch dann, wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthält, durch einseitige Erklärung errichtet werde. Deshalb falle dem Rechtsanwalt nur die Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 RVG an (N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 731; NJW-Spezial 2018, 315; ErbR 2018, 312, 313). |
4. Die Auffassung des BGH
a) Kein Betreiben eines Geschäfts
Der BGH hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments stelle nämlich kein Betreiben eines Geschäfts im Sinne einer nach außen gerichteten Tätigkeit dar. Sie betreffe nur die Eheleute oder Lebenspartner, die das gemeinschaftliche Testament errichten. Diese seien die Auftraggeber des Rechtsanwalts, der nicht die Interessen des einen gegenüber dem anderen Teil vertrete, was i.Ü. auch im Hinblick auf das in § 43a Abs. 4 BRAO geregelte Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, bedenklich wäre. Der BGH hat ferner darauf hingewiesen, dass eine Vertretung der Eheleute oder Lebenspartner gegenüber außerhalb des Mandatsverhältnisses stehenden Dritten ebenfalls nicht stattfinden würde.
b) Keine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages
Bei dem Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments handelt es sich nach den weiteren Ausführungen des BGH auch nicht um eine Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Gestaltung eines Vertrages. Dies hat der BGH damit begründet, dass ein gemeinschaftliches Testament kein Vertrag darstelle. Das gelte auch dahin, wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthalte. Ein Vertrag erfordere die Abgabe zweier aufeinander bezogener korrespondierender Willenserklärungen, nämlich eines Angebots und einer Annahme. Dies liege bei einem Testament nicht vor, da dieses durch eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung des Testierenden errichtet werde. Nach der Legaldefinition des § 1937 BGB...