§ 3a RVG; §§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB
Leitsatz
- Die vereinbarte Abrechnung in 5-Minuten-Einheiten bei einer formularmäßigen Vereinbarung eines Zeithonorars ist zulässig. Eine solche Klausel benachteiligt den Mandanten nicht unangemessen gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Äquivalenzprinzip wird hier noch ausreichend gewahrt.
- Reisezeit ist keine spezifisch anwaltliche Dienstleistung. Jedenfalls stellt sie keine Zeit der allgemeinen Beratung durch den Rechtsanwalt dar und ist nicht als Tätigkeit mit dem dafür vereinbarten Stundenhonorar zu vergüten.
- Der Rechtsanwalt ist für den Umfang der abrechenbaren Tätigkeit darlegungs- und beweisbelastet. Der Honoraranspruch ist erst einforderbar, wenn der abgerechnete Zeitaufwand nach Tätigkeitsmerkmalen aufgeschlüsselt dargestellt wird.
LG Karlsruhe, Urt. v. 19.1.2021 – 6 O 213/18
I. Sachverhalt
Die Klägerin, eine Anwaltskanzlei, hatte für die Vertretung in einem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht mit dem Mandanten eine Honorarvereinbarung geschlossen. Die Vereinbarung sah u.a. vor:
Zitat
"1. Es wird ein Zeithonorar vereinbart. Die Tätigkeit der Rechtsanwälte wird nach dem Zeitaufwand für die Bearbeitung zu den vereinbarten Stundensätzen vergütet."
2. Der Stundensatz für die allgemeine Beratung beträgt 250,00 EUR jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer. Abgerechnet wird auf 5-Minuten-Einheiten.
3. Hinzu kommen eventuelle anfallende Ausgaben für Porto, Telefon/Telefax, Reisekosten und sonstige Auslagen.“
Für die Fertigung mehrerer Schriftsätze, die Teilnahme an drei Terminen zur mündlichen Verhandlung sowie zwei Besprechungsterminen stellte die Klägerin insgesamt 89,1 Stunden in Rechnung. Der Mandant zahlte nur einen Teil der Rechnungen. Gegen die Forderung auf Zahlung des noch offenen Rechnungsbetrages wandte er insbesondere ein,
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der abgerechnete Zeitaufwand sei zu hoch, |
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die Zeittaktklausel sei unwirksam und |
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die Reisezeit sei nicht abrechenbar. |
II. 5-Minuten-Zeittakt-Klausel zulässig
Das LG stellt fest, dass die Honorarvereinbarung als einseitig gestellte, vorformulierte Vertragsbedingung Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. §§ 305 ff. BGB und Vertragsbestandteil des Anwaltsvertrages geworden ist. Die vereinbarte Abrechnung in 5-Minuten-Einheiten sei nicht wegen Benachteiligung des Mandanten gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässig. Das Äquivalenzprinzip werde noch ausreichend gewahrt. Begründet hat dies das LG damit, dass die Zeittaktklausel nach der Rspr. des BGH nicht generell unwirksam sei, vielmehr komme es auf die konkrete Ausgestaltung an (vgl. BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350–370, Rn 34 = AGS 2020, 161 = RVGreport 2020, 211 [Hansens]). Die vollwertige Leistung, die der Mandant nach Gegenstand und Zweck des Vertrags erwarten dürfe, werde durch die vereinbarte 5-Minuten-Zeittaktklausel jedoch nicht unangemessen verkürzt. Anders als bei einer Abrechnung im 15-Minuten-Takt seien die sich ergebenden Rundungseffekte nicht so eklatant, dass sich die Abrechnung strukturell zulasten des Mandanten auswirkt. Die berechtigten Interessen beider Parteien (Kompensation von Einarbeitungsaufwand durch Unterbrechungen einerseits, Zahlungspflicht nur für tatsächlich erbrachten Zeitaufwand andererseits) würden hierdurch angemessen in Ausgleich gebracht.
III. Reisezeit nicht als normale Tätigkeitszeit abrechenbar
Zur Reisezeit vertritt das LG die Auffassung, dass die Auslegung der Honorarvereinbarung aus Sicht eines objektiven Empfängers, §§ 133, 157 BGB, sowie die Anwendung der §§ 305 ff. BGB ergebe, dass die Reisezeit nicht als Tätigkeit der Rechtsanwälte mit dem vereinbarten Stundenlohn der allgemeinen Beratung abgerechnet werden könne.
Begründet wird dies damit, dass die streitgegenständliche Honorarvereinbarung zwar nicht ausdrücklich auf das RVG Bezug nehme, die dortige Unterscheidung zwischen Gebühren und Auslagen aber übernehme. Neben der zeitbasierten Honorarabrede war eine Kostenerstattung für Auslagen vereinbart, abzurechnen nach konkretem Aufwand. Pauschalen waren nicht vereinbart. Zu Warte- und Reisezeiten war nichts ausdrücklich geregelt.
Nach dem RVG stelle die Reisezeit einer Geschäftsreise einen Auslagentatbestand dar und sei nicht von der allgemeinen Geschäftsgebühr umfasst. Im Gegensatz zu Wartezeit (wie bspw. Zeit zwischen vereinbartem Treffen und Aufruf der Sache) sei Reisezeit keine spezifisch anwaltliche Dienstleistung. Vielmehr könne je nach Verkehrsmittel während der Reisezeit eine anwaltliche Dienstleistung (Aktenstudium, Vorbereitung von Schriftsätzen, Telefonate) erfolgen. Dies zeige, dass die Reisezeit selbst keine anwaltliche Tätigkeit sei, jedenfalls aber keine Zeit der allgemeinen Beratung durch den Rechtsanwalt darstelle. Allein diese wurde vorliegend mit einem Stundenhonorar vereinbart. Die Vergütung auch von Reisezeit zu diesem Stundenhonorar sei aus Sicht eines objektiven Dritten in der Position eines Mandanten bereits nicht vereinbart (§§ 133, 157 BGB), jedenfalls nicht zu erwarten und damit weder hinreichend bestimmt genug noch hinreichend transparent. Auch eine Pauschale entsprechend Nr. 7005 VV könne nicht in Ansa...