1. Verkehrssachverständiger
a) Grundsatz
Wegen der von der Betroffenen geltend gemachten Kosten für das von ihr eingeholte Gutachten eines Verkehrssachverständigen verweist das LG darauf, dass diese grds. zu den nach § 464a Abs. 2 StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen zählen. Zwar seien private Ermittlungen in der Regel nicht notwendig, weil Bußgeldbehörde und Gericht bereits von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet seien. Die Möglichkeiten, ggfs. Beweisanträge im Ermittlungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren zu stellen, müsse der Betroffene bzw. Angeklagte daher grds. ausschöpfen, bevor private Sachverständigengutachten eingeholt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., 2021, § 464a Rn 16 m.w.N.). Eine Erstattungsfähigkeit kommt demgegenüber aber ausnahmsweise in Betracht, wenn sich die Prozesslage des Betroffenen aus seiner Sicht bei verständiger Betrachtung der Beweislage ohne solche eigenen Ermittlungen alsbald erheblich verschlechtert hätte oder wenn komplizierte technische Fragen betroffen seien, sodass insbesondere die Einholung eines Privatgutachtens im Interesse einer effektiven Verteidigung als angemessen und geboten erscheinen durfte (KK/StPO-Gieg, 8. Aufl., 2019, § 464a Rn 7 m.w.N.).
So sei es hier: Zu Recht weise der Verteidiger darauf hin, dass die Bußgeldrichterin bereits mit der Ladung zum Hauptverhandlungstermin darauf hingewiesen hatte, dass ihrer Auffassung nach keine Zweifel an der Richtigkeit der Messung und Zuordnung des Fahrzeuges der Betroffenen bestanden haben. Ohne die Anbringung konkreter Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung wäre daher damit zu rechnen gewesen, dass das Gericht in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter den erleichterten Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sowie § 244 Abs. 4 S. 2 StPO ablehnen würde. Zur Überprüfung auf solche Zweifel sei angesichts der technisch komplizierten Materie aber die Überprüfung durch einen Sachverständigen notwendig gewesen.
b) Höhe der Sachverständigenkosten
Nach Auffassung des LG waren die Sachverständigenkosten allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe zu erstatten. Zwar seien die Kosten für ein privat eingeholtes Sachverständigengutachten nicht nach den Grundsätzen des JVEG zu erstatten. Diese können allerdings – so das LG – als Richtlinie herangezogen werden, auf deren Grundlage der privatrechtlich vereinbarte Stundensatz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen ist (LG Oldenburg AGS 2019, 94 = JurBüro 2019, 309 = RVGreport 2019, 145 = VRR 11/2019, 15 m.w.N.). Nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 38 JVEG in seiner bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung habe der Stundensatz für Sachverständige im Bereich Verkehrsregelungs- und -überwachungstechnik 85,00 EUR und damit deutlich weniger als die vom Sachverständigen hier geltend gemachten 140,00 EUR. Zwar sei nicht zwingend davon auszugehen, dass es einem Betroffenen möglich sei, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen. Weiche der Stundensatz jedoch — wie hier — um 20 % oder mehr vom Stundensatz der entsprechenden Honorargruppe des JVEG ab, bedürfe es für die Plausibilitätsprüfung-besonderer Darlegungen durch den Anspruchsteller (KG StraFo 2012, 380 = RVGreport 2012, 429), die hier aber nicht erfolgt seien. Auch sei es nach Erfahrung der Kammer durchaus möglich gewesen, "im hiesigen Bezirk" geeignete Sachverständige, die auf Basis eines Stundensatzes von 100,00 EUR abrechnen, zu finden. Die erstattungsfähigen Gutachterkosten seien bei der abgerechneten Arbeitszeit von 5 Stunden entsprechend auf 500,00 EUR (netto) reduziert worden. Die übrigen insoweit geltend gemachten Kosten würden demgegenüber grenzwertig erscheinen, seien aber noch vertretbar.
2. Anthropologisches Sachverständigengutachten
Nicht erstattungsfähig war nach Auffassung des LG hingegen die bei der Betroffene angefallenen Kosten für ein anthropologisches Gutachten. Insoweit sei kein abgelegenes oder technisch schwieriges Sachgebiet betroffen (vgl. LG Essen AGS 2021, 412 = VRR 8/2021, 3 [Ls.] = StRR 9/2021, 5 [Ls.]). Angesichts der guten Bildqualität des Messfotos wäre im Rahmen der Hauptverhandlung zu klären gewesen, ob die Betroffene hätte identifiziert werden können. Dies sei grds. ohne die Hilfe eines Sachverständigen möglich, der lediglich im Zweifelsfalle zu beauftragen gewesen wäre. Jedenfalls nach Aktenlage hätten hierfür aber keine Anhaltspunkte bestanden. Bezeichnenderweise teilte der Verteidiger auch das Ergebnis des von ihm privat eingeholten Gutachtens nicht mit.