1a) Lösung zu Fall 1 – Ausgangsfall
I. Verfahrensgebühr
1. Anfall
Rechtsanwalt A fällt für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information nach der allgemeinen Regelung in Vorbem. 3 Abs. 2 VV eine Verfahrensgebühr an. In welcher Höhe diese entsteht, ergibt sich aus der maßgeblichen Gebührenvorschrift in Teil 3 VV.
2. Höhe
Der als Verfahrensbevollmächtigte im Erbscheins-Beschwerdeverfahren tätige Rechtsanwalt verdient grds. die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV. Hierfür muss der Rechtsanwalt jedoch über das Betreiben des Geschäfts hinaus noch weitere Tätigkeiten entfaltet haben, die in Abs. 1 und 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV aufgeführt sind, bevor sein Auftrag endet. Anderenfalls kann der Rechtsanwalt lediglich die ermäßigte – hier 1,1- – Verfahrensgebühr abrechnen.
Rechtsanwalt A hat die Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts eingelegt, sodass eine Ermäßigung nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV nicht in Betracht kommt. Da Rechtsanwalt A aber in einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig gewesen ist, ist ferner zu prüfen, ob nur eine eingeschränkte Tätigkeit i.S.v. Abs. 2 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV vorliegt. Das war hier der Fall, weil die Tätigkeit des Rechtsanwalts A auf die Einlegung der Beschwerde beschränkt war. Folglich ist Rechtsanwalt A nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV angefallen.
II. Gegenstandswert
Die vom Beschwerdegericht getroffene Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren ist gem. § 32 Abs. 1 RVG auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblich.
III. Vergütungsberechnung
Rechtsanwalt A stehen deshalb folgende Gebühren und Auslagen zu:
1. |
1,1-Verfahrensgebühr, Nr. 3200, 3201, Abs. 2 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV |
1.923,90 EUR |
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(Wert: 120.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
369,34 EUR |
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Gesamt |
2.313,24 EUR |
1b) Lösung zu Fall 1 – Abwandlung
I. Vergütung des Rechtsanwalts A
Rechtsanwalt A hat für das Betreiben des Geschäfts nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV eine Verfahrensgebühr verdient, deren Höhe sich nach den Nrn. 3200, 3201 VV bestimmt.
In der Abwandlung ist für Rechtsanwalt A die Verfahrensgebühr nicht auf den Satz von 1,1 beschränkt, da keine der in Abs. 1 und 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV bestimmten Ermäßigungsregelungen eingreift. In der Abwandlung hat sich seine Tätigkeit nicht auf die Einlegung und Begründung der Beschwerde beschränkt. Vielmehr hat Rechtsanwalt A sich zu der Beschwerdeerwiderung des Verfahrensbevollmächtigten des weiteren Verfahrensbeteiligten E2 geäußert. Damit liegt keine eingeschränkte Tätigkeit vor.
II. Vergütung des Rechtsanwalts B
Hinsichtlich des Anfalls und der Höhe der Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts B gelten dieselben Ausführungen wie zur Vergütung des Rechtsanwalts A. Keiner der in Abs. 1 und 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV geregelten Tatbestände, die zum Anfall nur der ermäßigten Verfahrensgebühr führen, liegt vor. Rechtsanwalt B hat mit der Beschwerdeerwiderung jedenfalls einen Schriftsatz mit Sachvortrag bei dem Beschwerdegericht eingereicht (s. Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV). Bei Rechtsanwalt B liegt auch keine eingeschränkte Tätigkeit i.S.v. Abs. 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV vor. Seine Tätigkeit hat sich nämlich nicht auf die Entgegennahme der Rechtsmittelentscheidung beschränkt. Vielmehr hat Rechtsanwalt B die Beschwerdebegründung geprüft und die Beschwerdeerwiderung gefertigt und beim Beschwerdegericht eingereicht.
III. Vergütungsberechnung
Beide Rechtsanwälte rechnen ihre Tätigkeiten im Beschwerdeverfahren somit jeweils wie folgt ab:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
2.798,40 EUR |
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(Wert: 120.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
535,50 EUR |
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Gesamt |
3.353,90 EUR |
2. Lösung zu Fall 2
I. Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten
Nach der st. Rspr. des BGH ist die Hinzuziehung eines Privatgutachters notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO, wenn die betreffende Partei ohne die Einholung des Privatgutachtens infolge fehlender Sachkenntnis zu einem sachgerechten Vortrag nicht in der Lage wäre oder ein ihr nachteiliges gerichtliches Sachverständigengutachten nicht erschüttern könnte. Dies beurteilt sich unabhängig von der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in dem Rechtsstreit. Für die Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten kommt es auch nicht darauf an, ob das Privatgutachten die Entscheidung des Gerichts positiv beeinflusst hat. Vorliegend hat das LG Berlin die Feststellungen des Privatgutachters sogar zugunsten des Klägers berücksichtigt.
Damit liegen die Voraussetzungen für die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten vor.
II. Höhe der Privatgutachtenkosten
Hinsichtlich der Höhe seiner Vergütung ist der Privatgutachter nicht an die Sätze des JVEG, das nur für gerichtlich bestellte Sachverständige Anwendung findet, gebunden. Der Privatgutac...