§ 55 RVG
Leitsatz
- Bei dem Antrag des Rechtsanwalts auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung aus der Staatskasse besteht keine gesetzliche Pflicht zur Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins.
- Es genügt, wenn bei der elektronischen Einreichung der Berechtigungsschein eingescannt, das Original aber vom Rechtsanwalt entwertet wird.
- Auch ohne Vorlage eines solchen "entwerteten" Berechtigungsscheins oder sonst weiterer Erklärungen oder Beweismittel (§ 294 ZPO) ist der Anfall der Gebühr für die Beratungshilfetätigkeit dem Grunde nach ausreichend glaubhaft gemacht, wenn der abrechnende Anwalt bereits im Bewilligungsverfahren bekannt und der Berechtigungsschein an ihn übersandt wurde.
- In einem sozialgerichtlichen isolierten Vorverfahren kann die Erledigungsgebühr nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat; erforderlich ist eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird
AG Ludwigshafen, Beschl. v. 21.2.2022 – 2 UR II 82/20
I. Sachverhalt
In einer rechtlichen Angelegenheit wurden Beratungshilfe bewilligt und ein Berechtigungsschein erteilt. Der Berechtigungsschein wurde dabei unmittelbar dem bereits konsultierten und bekannten Rechtsanwalt übersandt. Die Angelegenheit wurde sodann durch die Beratungsperson erledigt und die Vergütung elektronisch zur Abrechnung eingereicht. Dabei wurde neben der Geschäftsgebühr auch eine Erledigungsgebühr geltend gemacht. Diese erfolgte im Ansatz deshalb, da der Rechtsanwalt in einem eigentlich verfristeten Widerspruchsverfahren die Rücknahme des Verwaltungsaktes angeregt hatte. Das Gericht wies den Vergütungsantrag mit der Begründung zurück, die Vorlage des Original-Berechtigungsscheines, also in Papierform, sei bei Abrechnung zwingend erforderlich. Außerdem wurde der Gebührenanspruch für die Erledigungsgebühr abgelehnt. Während das Rechtsmittel im Hinblick auf die Vorlage des Original-Berechtigungsscheines erfolgreich war, blieb der Ansatz der Erledigungsgebühr erfolglos.
II. Keine Vorlage des Original-Berechtigungsscheins notwendig
Das AG Ludwigshafen sieht keine generelle Vorlagepflicht eines Original-Berechtigungsscheines. Weder die Vorschriften des RVG zur Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen (§ 55 RVG), noch die Vorgaben des Beratungshilfegesetzes (BerHG) oder die Vorschriften der auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 11 BerHG erlassenen Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV) enthalten eine Norm, die dem Rechtsanwalt ausdrücklich aufgeben würde, bei Antragstellung auf Festsetzung seiner Vergütung den ihm vom Rechtssuchenden überlassenen Berechtigungsschein an das ausstellende Gericht zurückzugeben. Eine gesetzliche Pflicht zur Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins zusammen mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag bestehe folglich nicht und sei auch nicht begründbar. Vielmehr sei mit dieser Frage lediglich die ausreichende Glaubhaftmachung des Entstehens der Beratungshilfegebühr verbunden. Erscheine hierzu die Vorlage des Berechtigungsscheins im Original erforderlich, welche im Rahmen einer Übersendung als elektronisches Dokument gem. § 12b RVG, § 130a ZPO – zu welcher ein Rechtsanwalt seit 1.1.2022 gem. § 130d ZPO verpflichtet ist – nicht möglich ist, kann genügen, dass der eingescannte Berechtigungsschein durch handschriftlichen Vermerk des Anwalts "entwertet" wurde.
III. Ausreichende Glaubhaftmachung des Gebührenanfalls, wenn Beratungsperson bekannt ist
Das AG Ludwigshafen sieht das Petitum nach Vorlage des Original-Berechtigungsscheines als gegeben an. Da eine elektronische Übersendung verpflichtend sei, die Übersendung des Originals aber bei Übersendung als elektronisches nicht möglich ist, genüge ein entsprechender Scan des Original-Berechtigungsscheines, aus dem sich die Entwertung ergebe. Damit sei einem Sicherheitsbedürfnis grds. Genüge getan. Grds. ganz ohne Vorlage eines solchen "entwerteten" Berechtigungsscheins oder weiterer Darlegungen seien i.Ü. diejenigen Sachverhalte zu beurteilen, in denen der Anfall des Gebührenanspruchs ausreichend glaubhaft sei. Insbesondere dann, wenn ein Rechtsuchender bereits im Rahmen des Bewilligungsverfahrens vom abrechnenden Rechtsanwalt vertreten worden sei und auch explizit an diesen der Berechtigungsschein übersandt worden ist und dessen "Handeln" im Zuge der beantragten Abrechnung ersichtlich sei, benötige es keiner weiteren Glaubhaftmachung.
IV. Keine Erledigungsgebühr im sozialgerichtlichen Vorverfahren
Objektive Voraussetzung für das Entstehen der Erledigungsgebühr ist, dass ein ungünstiger Verwaltungsakt ergangen oder ein von dem Rechtsuchenden beantragter Verwaltungsakt ganz oder teilweise abgelehnt worden ist. Es muss sich durch die Verwaltungsbehörde ein für den Rechtsuchenden abschließend ungünstiger Standpunkt ergeben haben. Der Rechtsuchende muss die getroffene Entscheidung mit einem Rechtsbehelf, z.B. einem Widerspruch, angegriffen haben. Es kommen dabei nur Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde über einen mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwalt...