a) Beschwerdegebühr
Nach Vorbem. 4.2 VV erhält der Rechtsanwalt in Strafvollstreckungsverfahren im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache die Gebühren des Teil 4 Abschnitt 2 VV besonders. Die insoweit erbrachten Tätigkeiten sind also nicht wie sonst das strafrechtliche Beschwerdeverfahren aufgrund des Pauschalcharakters der Gebühren durch die Gebühren im Ausgangsverfahren mitabgegolten. Für die Tätigkeit in der Beschwerdeinstanz gelten alle in Teil 4 Abschnitt 2 VV aufgeführten Gebührentatbestände. Es können also die Verfahrens- und die Terminsgebühr entstehen.
Die Gebühren im Beschwerdeverfahren richten sich in der Strafvollstreckung nach Nrn. 4200 bis 4207 VV, weil insoweit keine besonderen Gebührenregelungen vorhanden sind. Ist in der ersten Instanz z.B. eine Verfahrensgebühr Nr. 4200 VV entstanden, entsteht diese Verfahrensgebühr auch im Beschwerdeverfahren.
Beispiel
Rechtsanwalt R erhält den Auftrag, den Verurteilten V im Verfahren über die Aussetzung des Restes einer verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe gem. § 57a StGB zu vertreten. Die Strafvollstreckungskammer bestimmt gem. § 454 Abs. 1 S. 3 StPO einen Termin zur mündlichen Anhörung des Verurteilten. R nimmt an der Anhörung teil. Nach der Anhörung weist die Strafvollstreckungskammer das Gesuch um Aussetzung des Strafrestes zurück. V beauftragt den Rechtsanwalt R mit der Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss, § 454 Abs. 3 StPO. Rechtsanwalt R legt Beschwerde gegen die Entscheidung ein und begründet diese. Nach erneuter mündlicher Anhörung des Verurteilten unter Beteiligung des Verteidigers lehnt das Beschwerdegericht die Aussetzung ab. Die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG sind durchschnittlich.
Es sind folgende Gebühren abzurechnen:
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Wahlanwalt |
Pflichtverteidiger |
Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer |
Verfahrensgebühr, Nr. 4201 VV |
493,50 EUR |
395,00 EUR |
(Nr. 4200 Nr. 2 VV mit Zuschlag) |
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Terminsgebühr, Nr. 4203 VV |
239,50 EUR |
192,00 EUR |
(Nr. 4202 VV mit Zuschlag) |
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Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
20,00 EUR |
Verfahren vor dem Beschwerdegericht |
Zusätzliche Verfahrensgebühr als (Beschwerde-)Verfahrensgebühr, Nr. 4201 VV i.V.m. Vorbem. 4.2 VV |
493,50 EUR |
395,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 4203 VV (Nr. 4202 VV mit Zuschlag) |
239,50 EUR |
192,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
20,00 EUR |
Anwaltsvergütung netto |
1.506,00 EUR |
1.214,00 EUR |
Die Gebühren entstehen besonders aber nur in einem Beschwerdeverfahren, das gegen die Entscheidung in der Hauptsache gerichtet ist. Wird nicht die Hauptsacheentscheidung des Gerichts, sondern eine "Nebenentscheidung" angefochten, ist die Tätigkeit des Anwalts mit der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr abgegolten. Eine Hauptsacheentscheidung liegt bspw. vor, wenn die Strafvollstreckungskammer eine Strafaussetzung zur Bewährung widerruft (§ 453 Abs. 2 StPO) oder die Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe ablehnt (§ 454 Abs. 3 StPO). Keine Beschwerde gegen eine Hauptsacheentscheidung ist z.B. die gegen den im Strafvollstreckungsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Rechtsanwalt erhält hierfür nicht die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV besonders, sondern nach Teil 3 VV (Vorbem. 4 Abs. 5 Nr. 1 VV).
b) Postentgeltpauschale im Beschwerdeverfahren
In der Vergangenheit ist darum gestritten worden, ob für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren die Postentgeltpauschale doppelt entsteht. Denn nach Vorbem. 4.2 VV entstehen im Beschwerdeverfahren lediglich die Gebühren besonders. Im Gegensatz dazu bestimmt Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 3 VV für Einzeltätigkeiten ausdrücklich, dass das Beschwerdeverfahren als besondere Angelegenheit gilt. Hat der Gesetzgeber diese unterschiedlichen Formulierungen bewusst gewählt, dürfte das Beschwerdeverfahren in der Strafvollstreckung nicht als besondere Angelegenheit angesehen werden und hierfür keine weitere Postentgeltpauschale entstehen können.
Der Streit ist inzwischen aber durch den zum 1.8.2013 durch das 2. KostRMoG eingefügten § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG erledigt. Wenn Vorbem. 4.2 VV als Regelung mit besonderen Gebührentatbeständen für die Beschwerde in der Strafvollstreckung verstanden wird, gehören Tätigkeiten in diesem Beschwerdeverfahren gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG nicht mehr zum vorhergehenden Rechtszug. Deshalb bildet das Beschwerdeverfahren eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit, in der neben besonderen Gebühren auch eine weitere Postentgeltpauschale entsteht (Anm. zu Nr. 7002 VV). Denn gem. § 17 Nr. 1 RVG sind das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausge...