1. Pauschale Abgeltung

Der Umstand, dass es sich bei einem strafverfahrensrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht um eine besondere Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 RVG handelt, und die Regelung in Vorbem. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV, die den Pauschalcharakter der in Teil 4 Abschnitt 1 VV enthaltenen Verteidigergebühren regelt,[5] führen dazu, dass für die Tätigkeit in einem strafverfahrensrechtlichen Beschwerdeverfahren keine gesonderten Gebühren entstehen, sondern die Tätigkeiten des Rechtsanwalts grds. durch die jeweiligen Verfahrensgebühren (mit-)abgegolten werden.[6] Das gilt – mit Ausnahme der unten III. ff. – aufgeführten Fälle – für alle strafverfahrensrechtlichen Beschwerdeverfahren, also z.B. für Haftbeschwerden, Beschwerden gegen andere Zwangsmaßnahmen, wie z.B. dingliche Arreste, Beschwerden gegen § 111a-StPO-Beschlüsse usw. Das gilt für alle Rechtszüge, so z.B. für eine im Berufungsrechtszug eingelegte Beschwerde gegen einen § 111a-StPO-Beschluss.[7] Etwas anderes folgt nicht aus Nr. 4302. Nr. 1 bzw. Nr. 3 VV. Dort sind zwar Verfahrensgebühren für die Einlegung eines Rechtsmittels bzw. eine sonstige Beistandsleistung vorgesehen. Diese können wegen Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV aber nur für den mit einer einzelnen Tätigkeit beauftragten Rechtsanwalt, nicht aber für den Vollverteidiger oder Vollvertreter eines anderen Beteiligten i.S.v. Vorbem. 4 Abs. 1 VV anfallen.[8]

[5] Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV Rn 23 ff. m.w.N.
[6] S. die Rechtsprechungsnachweise in Fn 2 und noch AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, § 15 Rn 116, 103.
[7] Zur Beschwerde nach Beendigung der Instanz, wie z.B. nach §§ 305a, 268a StPO, Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 560 ff. m.w.N.
[8] Vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Vorbem. 4.3 VV Rn 6 ff.; vgl. auch unter III.

2. Einfluss auf die Gebührenhöhe

Hat der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeiten im Hinblick auf eine Beschwerde Mehraufwand, wovon man i.d.R. ausgehen muss, muss dieser Mehraufwand beim Wahlanwalt bei der Gebührenbemessung gem. § 14 RVG erhöhend berücksichtigt werden.[9] Da beim Pflichtverteidiger keine Rahmengebühren, sondern Festgebühren anfallen, kann bei ihm die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren nur bei der Festsetzung einer Pauschgebühr gem. § 51 RVG Berücksichtigung finden.[10]

[9] Vgl. LG Braunschweig Nds.Rpfl. 2008, 195; LG Göttingen JurBüro 1990, 878; AG Sinzig JurBüro 2008, 249; AG Koblenz, Beschl. v. 26.10.2010 – 2060 Js 29642/09.25 Ls; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorbem. Teil 4 Rn 14; AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV Vorbem. 4.1 Rn 5.
[10] S. auch Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 557.

3. Erfolgreiche Beschwerde mit Auslagenentscheidung zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten

Fraglich ist, wie bei einer ggf. erfolgreichen Beschwerde im Strafverfahren und einer zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten ergangenen Entscheidung über die notwendigen Auslagen zu verfahren ist, insbesondere wie ein sich evtl. zugunsten des Beschuldigten ergebender Erstattungsbetrag zu ermitteln ist. Da die Verteidigertätigkeit im Beschwerdeverfahren mit den Verteidigergebühren abgegolten ist, ergeben sich keine nur auf das Beschwerdeverfahren entfallenden gesonderten Verteidigergebühren, die bei der Kostenfestsetzung als notwendige Auslagen zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten zu berücksichtigen wären. Das bedeutet aber nicht, dass die Auslagenentscheidung ins Leere ginge. Vielmehr sind die notwendigen Auslagen für das Beschwerdeverfahren durch die sog. Differenztheorie zu ermitteln. Zu vergleichen sind die tatsächlich im gesamten Verfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens dem Beschuldigten/Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen mit den ohne Beschwerdeverfahren hypothetisch erwachsenen notwenigen Auslagen. Besteht zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten zwischen den beiden Beträgen eine Differenz, ist diese dem Beschuldigten zu erstatten.[11]

 

Beispiel

Der im Ermittlungsverfahren tätige Verteidiger R legt auftragsgemäß für den Beschuldigten Beschwerde gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) ein. Diese hat Erfolg. Die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren werden der Staatskasse auferlegt. Nach rechtskräftiger Verurteilung des Beschuldigten will R die für das Beschwerdeverfahren angefallenen Gebühren gegenüber der Staatskasse abrechnen.

Zunächst ist zu ermitteln, welche (fiktive) Vergütung entstanden wäre, wenn ein Beschwerdeverfahren nicht erforderlich bzw. nicht durchgeführt geworden wäre. Hierbei soll von den Mittelgebühren ausgegangen werden:

 
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 220,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV 181,50 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Anwaltsvergütung netto 421,50 EUR

Sodann ist die Vergütung zu ermitteln, die mit dem durchgeführten Beschwerdeverfahren entstanden ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass es bei der Grundgebühr Nr. 4100 VV bei der Mittelgebühr verbleibt und bei der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV, die das Beschwerdeverfahren mitabgilt, die Mittelgebühr um 25 % erhöht werden kann.

 
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 220,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV 226,88 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Anwaltsvergütung net...

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