§§ 2, 3, 8 InsVV
Leitsatz
- Die Ermittlung von Anfechtungstatbeständen und deren Verfolgung ist gesetzliche Aufgabenerfüllung und unterliegt der Regelvergütung.
- Die einfache Korrespondenz in englischer Sprache löst keinen Zuschlag aus.
- Wenn der Insolvenzverwalter ein Unternehmen beauftragt, an dem er selbst oder eine nahestehenden Person nicht unerheblich beteiligt ist, stellt dies eine ernsthafte Interessenkollision dar. Die dadurch aufgewandten Kosten sind von der Vergütung des Verwalters abzuziehen.
- Die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter stellt einen Regelabschlagstatbestand dar.
AG Hannover, Beschl. v. 24.3.2023 – 909 IN 1106/10 – 3
I. Sachverhalt
Mit Schreiben v. 24.2.2021 (eingegangen am 26.2.2021) beantragte der Insolvenzverwalter seine Vergütung. Neben der Regelvergütung machte er Zuschläge für "Anfechtungsansprüche" i.H.v. 13,33 %, für "übertragende Sanierung und Unternehmensverkauf" i.H.v. 20 %, für "Auslandsberührung" i.H.v. 15 % sowie für "Tabellenbearbeitung/Abwehr von Schadenersatzansprüchen" i.H.v. 15 % geltend. Des Weiteren teilte er nicht nur mit, welche Dritte er beauftragte, sondern auch für welche Tätigkeiten diese mandatiert wurden. Der Insolvenzverwalter hat die … Partnerschaftsgesellschaft sowie die … Steuerberatungsgesellschaft mbH beauftragt. Der Insolvenzverwalter ist als Partner an der … Partnerschaftsgesellschaft beteiligt. An der … Steuerberatungsgesellschaft mbH ist er weder direkt noch indirekt beteiligt. Dies wurde angezeigt. Das Gericht bewilligte sodann im Rahmen der Festsetzung nicht alle beantragten Zuschläge; die im Rahmen der Delegation verursachte Kosten wurden als "stille Einnahmen" von der Vergütung des Insolvenzverwalters abgezogen.
II. Ermittlung von Anfechtungsansprüchen Regeltätigkeit
Die Ermittlung von Anfechtungstatbeständen und deren Verfolgung ist gesetzliche Aufgabenerfüllung (Haarmeyer/Mock, InsVV, 5. Aufl., 2014, § 3 Rn 57). Diese Tätigkeit gilt mit der Regelvergütung als abgegolten. Ein Zuschlag kann – so das AG Hannover – nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen aufgrund des Umfangs und/oder der Anzahl der Anfechtungsansprüche, der dabei zu behandelnden besonderen rechtlichen Problemen als erhebliche Abweichung von einem gedanklichen Normalfall und damit als Sonderaufgabe anzuerkennen ist. Dieser Umstand muss aber – was im entschiedenen Fall nicht erfolgt ist – konkret dargelegt werden.
III. Englischsprachigkeit Normalfall
Der Verwalter beantragte einen Zuschlag zur Regelvergütung aufgrund von "Auslandsberührung". Dies wurde damit begründet, dass der Insolvenzverwalter die englischsprachigen Vertragswerke durcharbeiten und die entsprechende Korrespondenz auch in ausländischer Sprache geführt werden musste. Dass Unternehmen geschäftliche Auslandsberührungen haben, sei – so das Gericht – im internationalen Kontext nicht ungewöhnlich. Daher sind Vertragswerke und die darauf ausgerichtete Korrespondenz in englischer Sprache abgefasst. Diese Internationalisierung ist für ein Unternehmen, welches im europäischen oder gar weltweiten Ausland geschäftlich tätig ist, ein normaler Vorgang. Grds. rechtfertige dies nicht automatisch einen Zuschlag. Ein Zuschlag sei nur dann zu gewähren, wenn die Notwendigkeit besteht, ausländisches Recht zu prüfen und anzuwenden.
IV. Tabellenbearbeitung
Die Vergütung des Verwalters stelle keine erfolgsabhängige, sondern eine reine Tätigkeitsvergütung dar (BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, ZInsO 2004, 669). Eine Reduktion der ursprünglich angemeldeten Forderungen spielt daher für die Frage eines Zuschlags keine Rolle. Ein Zuschlag sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine große Anzahl von Forderungsanmeldungen vorliegen würde.
V. Die Tätigkeit als vorläufiger Verwalter als Abschlag
Durch die vorherige Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters wird die Übernahme des Amts als Insolvenzverwalter eines eröffneten Verfahrens regelmäßig vereinfacht bzw. weniger haftungsträchtig für den Insolvenzverwalter (BGH, Beschl. v. 8.7.2010 – IX ZB 222/09, ZInsO 2010, 1503; Beschl. v. 18.6.2009 – IX ZB 97/08, ZInsO 2009, 1367). § 3 Abs. 2 Buchst. a) InsVV geht davon aus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter, sofern er pflichtgemäß tätig geworden ist, dem endgültigen Verwalter i.d.R. erhebliche Arbeiten erspart hat (BGH, Beschl. v. 18.6.2009 – IX ZB 97/08, ZInsO 2009, 1367; Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZInsO 2006, 642). Bereits die Erstellung einer, wenn auch möglicherweise noch nicht vollständigen Vermögensübersicht und die Feststellung der Gläubiger und Schuldner vereinfachen i.d.R. die Arbeit des Insolvenzverwalters erheblich (BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZInsO 2006, 642; Haarmeyer/Mock, a.a.O., § 3 Rn 113). Daher ist ein Abschlag grds. gerechtfertigt.
VI. Verbundene Unternehmen, Delegation und Interessenkollision
Im entschiedenen Fall war der Insolvenzverwalter als Partner an der … Partnerschaftsgesellschaft beteiligt. An der … Steuerberatungsgesellschaft mbH war er weder direkt noch indirekt beteiligt. Jedoch war sein Sozius Mehrheitsgesellschafter dieser Gesellschaft. Dies wurde auch angezeigt, muss gleichwohl nach Ansicht des Gerichts zu einer vergütungsrelevanten Konsequenz führen. Der BFH habe – so das Gericht – in seiner Entschei...