§ 28 GKG; Nr. 9003 GKG KV
Leitsatz
- Kostenschuldner einer Aktenversendungspauschale ist nach § 28 Abs. 2 GKG derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst; wenn ein Rechtsanwalt die entsprechende Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle abgibt, ist somit der Rechtsanwalt selbst alleiniger Kostenschuldner. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den bei Auslegung von Prozesserklärungen zu beachtenden Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht, kann eine von dem die Aktenübersendung beantragenden Rechtsanwalt "namens der Mandantschaft" eingelegte Erinnerung gegen den entsprechenden Kostenansatz als für den Rechtsanwalt selbst eingelegte Erinnerung ausgelegt werden.
- Für den Anfall der Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV ist erforderlich aber auch ausreichend, dass Akten durch ein Gericht auf Antrag an den Antragsteller (§ 28 Abs. 2 GKG) versendet werden.
- Nimmt der eine Aktenversendung Beantragende den Aktenversendungsantrag zurück, nachdem die Akte bereits durch die Geschäftsstelle zur Übersendung in den Geschäftsgang gegeben worden ist, ist generell keine Verpflichtung der aktenversendenden Stelle, nachzuforschen, wo sich die Akte gerade befindet, und zu versuchen, die sich bereits auf den Weg gebrachte Akte anzuhalten oder gar wieder zurückzuholen, anzuerkennen.
KG, Beschl. v. 30.4.2024 – 5 AR 8/24
I. Sachverhalt
Mit am 9.2.2024 beim KG eingegangenen Schriftsatz hat der Rechtsanwalt erklärt, für die Beklagte Berufung gegen ein Urteil des LG Berlin vom 5.1.2024 einzulegen. In demselben Schriftsatz hat er zugleich beantragt, ihm kurzfristig Akteneinsicht durch Übersendung der Akte in seine Kanzlei zu gewähren. Mit Verfügung vom 4.3.2024 hat der Vorsitzende des 19. Zivilsenats Akteneinsicht wie beantragt bewilligt. Noch am 4.3.2024 hat die Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats verfügt, die Akte an den Rechtsanwalt zu versenden, und ihm dies in einem Anschreiben vom selben Tage mitgeteilt. Mit Kostenansatz vom 4.3.2024 ist dem dort als Kostenschuldner benannten Rechtsanwalt hierfür eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV i.H.v. 12,00 EUR in Rechnung gestellt worden.
Mit am 7.3.2024 beim KG eingegangenen Schriftsatz hat der Rechtsanwalt erklärt, für die Beklagte die Berufung zurückzunehmen. Ferner hat er erklärt, die beantragte Gewährung auf Akteneinsicht könne aufgrund der Berufungsrücknahme als gegenstandslos angesehen werden; er hat hinzugesetzt, die Akte bislang auch nicht erhalten zu haben.
Die Akte ist dem Erinnerungsführer erst am 12.3.2024 zugegangen, nachdem sie zunächst bei einer anderen Rechtsanwaltskanzlei eingegangen war.
Der Rechtsanwalt hat am 16.4.2024 Erinnerung gegen die Erhebung der Aktenversendungspauschale eingelegt. Er hat vorgetragen, am 7.3.2024 habe ihn die genannte andere Rechtsanwaltskanzlei darüber informiert, dass bei ihr "die mit einem an [den Erinnerungsführer] adressierten Übersendungsschreiben des Kammergerichts versehene Akte" zugegangen sei. Der Kostenbeamte der Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II. Rechtsbehelf des Rechtsanwalts
Das KG hat den Schriftsatz des Rechtsanwalts vom 16.4.2024 trotz seiner Erklärung, die Erinnerung werde namens und in Vollmacht seiner Mandantin, also der Beklagten, erhoben, als Rechtsbehelf des Rechtsanwalts persönlich ausgelegt. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen sei nämlich der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH NJW-RR 2022, 1718). Nach der Rspr. des BGH sei Kostenschuldner einer Aktenversendungspauschale nach § 28 Abs. 2 GKG derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst; wenn ein Rechtsanwalt die entsprechende Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle abgibt, sei somit der Rechtsanwalt selbst alleiniger Kostenschuldner (BGH AGS 2021, 262). In Übereinstimmung hiermit war auch im Kostenansatz vom 4.3.2024 der Rechtsanwalt als Kostenschuldner benannt. Vor diesem Hintergrund sei der Schriftsatz vom 16.4.2024 dahingehend auszulegen, dass der Rechtsanwalt selbst die Erinnerung eingelegt hat.
III. Keine Nachforschungs-/Rückholpflicht
In der Sache hat das KG die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Zu Recht sei in dem angefochtenen Kostenansatz dem Rechtsanwalt als Kostenschuldner (§ 28 Abs. 2 GKG) der Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV ein Betrag i.H.v. 12,00 EUR in Rechnung gestellt worden.
Für den Anfall dieser – sofort nach ihrer Entstehung fälligen (§ 9 Abs. 4 GKG) – Pauschale sei erforderlich, aber auch ausreichend, dass Akten auf Antrag durch ein Gericht (oder – hier nicht einschlägig – durch eine Staatsanwaltschaft, vgl. Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., 2024, Nr. 9003 GKG-KV, Rn 12) an den Antragsteller versendet werden. Dies sei vorliegend erfolgt.
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