Nr. 3500 VV RVG; §§ 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 104 Abs. 2 S. 1 ZPO

Leitsatz

  1. Für die Vertretung des Mandanten im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen fällt dem Prozessbevollmächtigten gesondert eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV an.
  2. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in einem solchen Beschwerdeverfahren ist hinreichend dadurch glaubhaft gemacht, dass er ausführlich zu seiner Mandatierung in dem Beschwerdeverfahren vorgetragen und er für die Partei im Rechtsmittelverfahren einen Schriftsatz eingereicht hat.
  3. Die Anwaltskosten im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen sind jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn das Gericht der betreffenden Partei rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren gewährt hat.

OLG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2024 – 4 W 7/24

I. Sachverhalt

Die Klägerin hatte in dem vor dem LG Hamburg geführten Rechtsstreit den gerichtlich bestellten Sachverständigen abgelehnt. Das LG hat den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen zurückgewiesen. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sofortige Beschwerde ein, die er vor dem OLG Hamburg begründete. Hieraufhin wies das OLG Hamburg ausführlich darauf hin, aus welchen – von der Begründung des LG Hamburg abweichenden – Gründen es das Ablehnungsgesuch für unbegründet erachte, und räumte beiden Parteien eine Frist zur Stellungnahme ein. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich hierzu schriftsätzlich geäußert. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Anwaltsschriftsatz vom 31.5.2023 ebenfalls Stellung genommen. Das OLG Hamburg hat die sofortige Beschwerde auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Hieraufhin hat die Beklagte die Festsetzung einer 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV nebst Auslagen beantragt. Die Rechtspflegerin des LG Hamburg hat dem Kostenfestsetzungsantrag stattgegeben.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Klägerin zunächst bestritten, dass die Beklagte ihren Prozessbevollmächtigten überhaupt für das Beschwerdeverfahren beauftragt und dass dieser seine Mandantin ordnungsgemäß über das Kostenrisiko aufgeklärt hat. Außerdem lasse der Beklagtenschriftsatz die gebotene Auseinandersetzung mit der Beschwerdebegründung vermissen. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, die Bestellung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten für die Vertretung im Beschwerdeverfahren sei nicht erforderlich gewesen.

Die Rechtspflegerin des LG Hamburg hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG Hamburg vorgelegt. Das OLG Hamburg hat die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

II. Anfall der Verfahrensgebühr Nr. 3500 VV

1. Gesetzliche Regelung

Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Diese Regelung gilt für sämtliche in Teil 3 VV aufgeführten Verfahrensgebühren und somit auch für die Verfahrensgebühr für Verfahren über die Beschwerde nach Nr. 3500 VV.

2. Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten

Nach Auffassung des OLG Hamburg ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten die geltend gemachte und festgesetzte 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV angefallen, weil der Rechtsanwalt seine Mandantin auftragsgemäß im Beschwerdeverfahren vertreten habe. Zu der Mandatierung und der nachfolgenden Tätigkeit habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ausführlich schriftsätzlich Stellung genommen. Außerdem sei die Mandatierung für das Beschwerdeverfahren durch den beim OLG eingereichten Schriftsatz v. 31.5.2023 gem. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht.

3. Einwand der Schlechtvertretung unbeachtlich

Dem auf der Grundlage der Nr. 3500 VV berechneten Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten der Beklagten steht nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamburg nicht entgegen, dass die Klägerin die Qualität der anwaltlichen Vertretung, den Umfang und den Inhalt der Stellungnahme vom 31.5.2023 beanstandet hat und gemutmaßt hat, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten könnte die Mandantin im Rahmen seiner Mandatierung nicht hinreichend über die Kosten aufgeklärt haben. Für den Anfall der Verfahrensgebühr Nr. 3500 VV sind nämlich – so das OLG – diese Beanstandungen rechtlich unerheblich. Allenfalls könnten sich hieraus materiell-rechtliche Einwendungen aus dem zugrunde liegenden Auftragsverhältnis ergeben. Diese seien jedoch im Kostenfestsetzungsverfahren, das als vereinfachtes Massenverfahren mit beschränktem Prüfungsumfang lediglich der Bezifferung der Kostengrundentscheidung diene, nicht zu berücksichtigen.

III. Erstattungsfähigkeit

1. Grundsätze

Die von der Beklagten für die Vertretung im Beschwerdeverfahren betreffend die Ablehnung des Sachverständigen geltend gemachte 0.5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV nebst Auslagen ist nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamburg auch erstattungsfähig. Dies folge bereits aus § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, wonach ein Verfahrensbeteiligter einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen dürfe und die hierdurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig seien. Dabei hat das OLG offengelassen, ob die Notwendigkeit der Einschalt...

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