§ 76 Abs. 1 FamFG; § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO; § 82 Abs. 1 S. 6 SGB XII
Leitsatz
Kindergeld ist bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe Einkommen des Kindes, soweit dies zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes benötigt wird.
OLG Hamm, Beschl. v. 21.11.2023 – II-6 WF 179/23
I. Sachverhalt
Der Antragsteller wurde vom AG Verfahrenskostenhilfe (VKH) mit einer monatlichen Ratenzahlung i.H.v. 175,00 EUR, beginnend mit September 2023, bewilligt. Das einzusetzende Einkommen des Antragstellers beträgt 351,00 EUR. Hierbei wurden Unterhaltszahlungen des Antragstellers an seinen Sohn D i.H.v. 200,00 EUR berücksichtigt, weitere Unterhaltspflichten dagegen nicht.
Gegen den Beschluss (Anordnung der Ratenzahlung) hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Er lebt mit seiner Partnerin in einem Haushalt und unterhalte dort den 2021 geborenen Sohn L. Das Kindergeld bezieht seine Partnerin, daher sei der volle Freibetrag für das Kind zu berücksichtigen.
Das AG hat der eingelegten sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen. Für das Kind L werden 250,00 EUR Kindergeld gezahlt. Für dieses Kind hat das AG daher einen Freibetrag gem. § 115 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b ZPO i.H.v. 350,00 EUR abzgl. des erhaltenen Kindergeldes i.H.v. 250,00 EUR, insgesamt daher 100,00 EUR berücksichtigt. Das errechnete einzusetzende Einkommen des Antragstellers beträgt daher 251,00 EUR und hieraus ergibt sich eine monatliche Rate i.H.v. 125,00 EUR. Aufgrund der Einkommensverhältnisse des Antragstellers sei davon auszugehen, dass das Kindergeld dem Kind als Einkommen zuzurechnen sei, soweit es zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes benötigt werde. Der Antragsteller hat vorliegend auch nicht dargetan, dass das Kindergeld aufgrund der Einkommensverhältnisse der Kindesmutter nicht für den Lebensunterhalt des Kindes benötigt wird.
Die sofortige Beschwerde i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO ist innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt und i.Ü. zulässig.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel – nach der teilweisen Abhilfe durch das AG – jedoch weiter ohne Erfolg.
II. Einzusetzendes Einkommen, § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 ZPO
1. Allgemeines
Im Rahmen des VKH-Bewilligungsverfahrens für den Antragsteller sind mehrere Voraussetzungen zu prüfen. Gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 S. 1 1. Hs. ZPO erhält eine Partei – ungeachtet der weiteren zur Gewährung von VKH notwendigen Voraussetzungen wie bspw. der zu bejahenden Erfolgsaussicht des zugrundeliegenden Anspruchs oder dass das Begehren nicht mutwillig erscheinen darf, § 114 Abs. 1 S. 1 2. Hs. ZPO – VKH, wenn sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder aber auch nur in Raten aufbringen kann. Bei der Bewertung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist auch das seitens des Antragstellers frei verfügbare Einkommen dahingehend zu überprüfen, § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 S. 1 und S. 2, Abs. 2 ZPO, ob und in welcher Form dies zur Prozessfinanzierung einzusetzen ist.
Die VKH ist eine Form der staatlich gewährten Sozialhilfe für den Bereich der Rechtspflege (BGH NJW 2005, 2393 = AGS 2005, 160). Hierzu zählen gem. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO grds. alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. In § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO und § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist der Einkommensbegriff identisch definiert. Durch die Verweise in § 115 Abs. 1 ZPO werden zahlreiche sozialrechtliche Vorschriften, insbesondere § 82 SGB XII nebst der hierzu erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 28.11.1962 (BGBl I, 692), zuletzt geändert aufgrund des Gesetzes zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze v. 22.12.2023 (BGBl I Nr. 408), aber auch die Anlage zu § 28 SGB XII, § 21 SGB II und § 30 SGB XII zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens herangezogen (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 23). Maßgebend ist dabei immer das Einkommen der Hilfe suchenden Partei zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Bewilligung der VKH, das auch tatsächlich erzielt wird.
2. Kindergeld als einzusetzendes Einkommen
Gem. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Gem. § 62 Abs. 1 EStG ist Anspruchsberechtigter von ausgezahltem Kindergeld nicht das Kind selbst, sondern derjenige Elternteil, der im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder wer als Ausländer die in § 62 Abs. 2 EStG genannten Kriterien erfüllt (Grube/Wahrendorf/Flint/Giere, SGB XII, 8. Aufl., 2024, § 82 Rn 53). Das Kind hat damit selbst keinen Kindergeldanspruch.
Wie das OLG Hamm ausführt, knüpft der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO dabei an den Einkommensbegriff in § 82 Abs. 1 SGB XII an (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 32). Die Definition ist, wie bereits oben unter II. 1. erwähnt, in beiden Normen deckungsgleich. In § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO wird dabei auf sozialrechtliche Vorsch...