§§ 136 Abs. 2, 143 Abs. 1 FGO
Leitsatz
Dem Rechtsmittelführer sind grundsätzlich auch die Kosten einer zulässigen Anschlussrevision aufzuerlegen, wenn diese ihre Wirkung durch die Rücknahme der Revision (hier: Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde) verliert.
BFH, Beschl. v. 10.1.2024 – IX R 25/23
I. Sachverhalt
Das beklagte Finanzamt hatte gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf beim BFH Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben. Der BFH hat durch Beschl. v. 25.10.2023 die Revision gegen dieses Urteil zugelassen. Dieser Beschluss ist dem beklagen Finanzamt und Revisionskläger sowie der Klägerin und Revisionsbeklagten am 25. bzw. 26.10.2023 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 27.11.2023 hat sich die Klägerin und Revisionsbeklagte der Revision des Finanzamtes angeschlossen. Dieses hatte jedoch mit Schriftsatz vom gleichen Tage seine Revision wieder zurückgenommen, wovon die Klägerin zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis hatte.
Nachdem das beklage Finanzamt somit die Revision gegen das Urteil des FG Düsseldorf zurückgenommen hatte, hat der BFH das Verfahren eingestellt. Ferner hat der BFH über die Kosten des Revisionsverfahrens entschieden.
II. Entscheidung über die Kosten
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 143 Abs. 1 FGO hat das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren – wie hier – in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Gem. § 136 Abs. 2 FGO hat derjenige die Kosten zu tragen, der einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurückgenommen hat.
2. Kosten des Revisionsverfahrens
Der BFH hat zunächst festgestellt, dass aufgrund der Rücknahme der Revision des Finanzamtes die Anschlussrevision der Klägerin gegenstandslos geworden ist (s. BFH/NV 2020, 934).
Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Anschlussrevision der Klägerin hat der BFH dem Finanzamt auferlegt und dabei auf die Regelungen in §§ 143 Abs. 1 und 136 Abs. 2 FGO verwiesen. Einem Rechtsmittelführer seien nämlich grds. auch die Kosten einer zulässig erhobenen Anschlussrevision aufzuerlegen, wenn diese ihre Wirkung durch die Rücknahme der Revision verliere (s. BFH BFH/NV2011, 280; BGH AGS 2007, 263 = RVGreport 2007, 240).
Ein Ausnahmefall, in dem abweichend vom Regelfall die Kosten der Anschlussrevision ausnahmsweise der Klägerin aufzuerlegen wären, hat hier nach Auffassung des BFH nicht vorgelegen. Insbesondere sei es ohne Belang, dass die Rücknahme der Revision und die Anschlussrevision am selben Tage eingegangen waren. Der BFH hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin erst am Folgetag, also nach Wirksamwerden der Rücknahme der Revision, von der Revisionsrücknahme durch das Finanzamt Kenntnis erlangt hat.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Grundsatz: Kosten der Anschlussrevision trägt Revisionskläger
Die Entscheidung des BFH liegt auf der Linie der Rspr. des BFH und des BGH. Dieser Rspr. liegt die Überlegung zugrunde, dass die unselbstständige Anschließung nur ein auch angriffsweise wirkender Antrag innerhalb des vom Rechtsmittelkläger eingelegten Rechtsmittels darstellt. Wird die Anschließung durch die Zurücknahme des Rechtsmittels hinfällig und ergibt sich weder durch unmittelbare oder durch entsprechende Anwendung der Kostenvorschriften der ZPO, dass den Anschlussrechtsmittelkläger die Kosten für seine durch eine Prozesshandlung des Rechtsmittelklägers ohne Sachentscheidung hinfällig gewordene Anschließung treffen würden, sind die gesamten Kosten des Rechtsmittelverfahrens, also auch diejenigen des Anschlussrechtsmittels, dem Rechtsmittelkläger aufzuerlegen.
2. Ausnahme: Kosten der Anschlussrevision trägt Anschlussrevisionskläger
Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Fall der anfänglichen Unzulässigkeit des Hauptrechtsmittels die Anschlussrevision von vornherein unzulässig und damit nicht von dem eingelegten Hauptrechtsmittel abhängig ist. In einem solchen Fall sind dem Revisionskläger die Kosten des Revisionsverfahrens und dem Anschlussrevisionskläger die Kosten der Anschlussrevision aufzuerlegen (BFH BFH/NV 2011, 280). In jenem Fall hatte das beklagte Finanzamt gegen das Urteil des FG die vom FG zugelassene Revision eingelegt, ohne durch die angefochtene Entscheidung beschwert zu sein. Nach Ablauf der Revisionsfrist hatte die Klägerin Anschlussrevision eingelegt. Nachdem das Finanzamt seine Revision wieder zurückgenommen hatte, war die Anschlussrevision der Klägerin erledigt. Hieraufhin hat der BFH die vorgenannte Kostenentscheidung erlassen.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 6/2024, S. 273