RVG VV Nr. 4141
Leitsatz
- Eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV (sog. Befriedungsgebühr) entsteht auch dann, wenn weniger als zwei Wochen vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin dieser aufgehoben und hiernach die Berufung zurückgenommen wird.
- Nur in Ausnahmefällen kann die Gebühr wegen Rechtsmissbrauchs in solchen Fällen versagt werden.
AG Saarbrücken, Beschl. v. 8.4.2009–26 Ls 23 Js 899/04 (219/06)
1 Sachverhalt
Der Erinnerungsführer hat gegen das Urteil des AG für die Verurteilte Berufung eingelegt. Er hat das Rechtsmittel in der Folge begründet und unter anderem die Annahme der Gewerbsmäßigkeit, mit der die besondere Schwere begründet worden ist, in Zweifel gezogen. Auch die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil zunächst Rechtsmittel eingelegt. Nach Rücknahme des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft wurde Hauptverhandlungstermin zur Durchführung der Berufung auf den 25.4.2008 festgelegt. Nach einem Telefonat zwischen dem für das Verfahren zuständigen Mitglied der Jugendkammer und dem Verteidiger kündigte dieser die Rücknahme der Berufung an und bat aus Kostengründen um vorherige Terminsaufhebung. Daraufhin wurde der Hauptverhandlungstermin 22.4.2008 aufgehoben. Die Berufungsrücknahme ging per Fax am 23.4.2008 bei Gericht ein.
Die Rechtspflegerin hat die durch Antrag des Verteidigers geltend gemachte Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV abgesetzt und dies damit begründet, die Vorgehensweise stelle eine Umgehung der Ausschlussfrist der Vorschrift Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV dar, sodass dem Verteidiger die Gebühr nicht zustehe.
Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Gebühr gem. Nr. 4141 VV entsteht bei Rücknahme eines Rechtsmittels nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift zwar nur dann, wenn das Rechtsmittel früher als zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen wird, wobei es sich bei der betreffenden Frist nicht um eine Notfrist handelt, sodass insbesondere Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt. Vorliegend hat diese zeitliche Ausschlussfrist bei Rücknahme der Berufung durch den Erinnerungsführer nicht (mehr) bestanden. Bei Eingang der Berufungsrücknahme war der Hauptverhandlungstermin aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Erstattung der Gebühr sind somit formell gegeben.
Die Versagung der Gebühr ist (jedenfalls) im vorliegenden Fall auch nicht mit rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung mit dem Argument der Umgehung der Ausschlussfrist zu begründen. Bedenken hiergegen bestehen bereits deshalb, weil die Schaffung der formellen Voraussetzung des Gebührentatbestandes nicht auf ein einseitiges Verhalten des Verteidigers zurückgeht, sondern das Gericht hierbei durch die Aufhebung des Hauptverhandlungstermins "mitgewirkt" hat. Auch im Übrigen ist die Versagung eines Anspruchs wegen missbräuchlicher Rechtsausübung grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen der Missbrauch offensichtlich ist. Bei der Geltendmachung von Gebühren ist das beispielsweise dann denkbar, wenn das Rechtsmittel von vornherein aussichtslos und/oder mutwillig und im Wesentlichen "aus Gebührengründen" eingelegt worden ist. Eine solche Konstellation liegt in vorliegender Sache angesichts der substantiierten Begründung der Berufung gerade nicht vor.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass vorliegend das Gericht durch die Terminsaufhebung auch in eigenem und im Interesse der Landeskasse einen nach der telefonischen Unterredung zu diesem Zeitpunkt unnötigen Hauptverhandlungstermin und somit weitergehende Kosten erspart hat.
Anmerkung
Siehe hierzu auch AG Wiesbaden zur vergleichbaren Lage im Bußgeldverfahren.