RVG §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 1, 22 Abs. 1; RVG VV Nr. 1008
Leitsatz
- Macht ein Nebenklagevertreter in einem Strafverfahren für mehrere Auftraggeber Schadensersatz-/Schmerzensgeldforderungen im Wege des Adhäsionsverfahrens geltend, wird er in derselben Angelegenheit tätig und erhält die insoweit entstandenen Gebühren nur einmal (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 RVG).
- Handelt es sich bei den insoweit geltend gemachten Ansprüchen um verschiedene Gegenstände, werden die Gegenstandswerte gem. § 22 RVG addiert. Es kommt nicht zu einer Erhöhung der Verfahrensgebühren nach Nr. 1008 VV, die an eine Gegenstandsidentität anknüpft.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.2.2009–2 Ws 8/09
1 Sachverhalt
Die im Strafverfahren auch für das Adhäsionsverfahren beigeordnete Nebenklägervertreterin beantragte neben der Vergütung für die Vertretung der Nebenklage der durch verschiedene, aber gleichermaßen verfahrensgegenständliche Straftaten des Verurteilten Geschädigten in Höhe von 878,99 EUR ferner – nach Abschluss gerichtlicher Vergleiche bei Streitwertfestsetzung von jeweils 2.500,00 EUR – ausgehend von zwei Adhäsionsverfahren hierfür separat die Festsetzung zweier Gebühren in Höhe von jeweils 694,37 EUR. Im Einzelnen machte sie geltend:
Für das Strafverfahren
Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV |
132,00 EUR |
Vorverfahrensgebühr gem. Nr. 4104 VV |
112,00 EUR |
30 % Erhöhung |
33,60 EUR |
Verfahrensgebühr gem. Nr. 4112 VV |
124,00 EUR |
30 % Erhöhung |
37,20 EUR |
Terminsgebühr gem. Nr. 4114 VV |
216,00 EUR |
309 Fotokopien gem. Nr. 7000 VV |
63,85 EUR |
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV |
140,34 EUR |
Zwischensumme |
878,99 EUR |
Für die Geltendmachung von Schadenersatz/Schmerzensgeld im Wege des Ahäsionsverfahrens jeweils
2,0-Verfahrensgebühr gem. Nr. 4143 VV (Streitwert: 2.500,00 EUR) |
322,00 EUR |
1,5-Einigungsgebühr gem. Nr. 4146 VV |
241,50 EUR |
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV |
110,87 EUR |
Zwischensumme |
694,37 EUR |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LG vertrat die Auffassung, es handele sich bei "den" Adhäsionsverfahren um dieselbe Angelegenheit, weshalb die entsprechenden Gebühren – unter Erhöhung der Verfahrensgebühr um 30 % aus Nr. 1008 VV – nur einmal erstattungsfähig seien. Basierend auf dieser Rechtsauffassung setzte sie hierfür einen Gesamtbetrag von 751,84 EUR fest.
Hiergegen legte die Rechtsanwältin Erinnerung ein. Zur Begründung trug sie – mit näheren Ausführungen – vor, die sich am Zivilverfahren orientierenden Gebühren für das Adhäsionsverfahren fielen für jeden Adhäsionskläger gesondert an, weil den Adhäsionsanträgen verschiedene Lebenssachverhalte zugrunde lägen, die gesondert zu prüfen gewesen seien. Mithin handele es sich hierbei nicht um dieselbe Angelegenheit.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das LG der Erinnerung der Rechtsanwältin – deren Rechtsauffassung folgend – statt, änderte den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ab und setzte die von der Rechtsanwältin für die Vertretung beider Adhäsionskläger beantragte Vergütung gesondert in Höhe von jeweils 694,37 EUR fest.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG, der das LG nicht abgeholfen hat.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist begründet.
1. Die Vertreterin der Nebenkläger ist mit der Geltendmachung der Schadensersatz-/Schmerzensgeldansprüche aufgrund der Adhäsionsanträge der Nebenkläger für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig geworden. Daher erhält sie die insoweit entstandenen Gebühren nur einmal (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 1 RVG).
Dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG liegt dann vor, wenn Einigkeit über die gemeinsame Behandlung auch unterschiedlicher Ansprüche und in diesem Sinne ein einheitlicher Auftrag vorliegt, die Tätigkeit des Anwalts sich im gleichen Rahmen abspielt und ein innerer Zusammenhang der behandelten Gegenstände gegeben ist (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 15 Rn 6 ff. m. w. Nachw.). Das ist hier der Fall.
Die Vertreterin der Nebenkläger war zur Durchsetzung der Ansprüche beider Nebenkläger im Rahmen des Adhäsionsverfahrens beauftragt und wurde diesen durch das Gericht hierfür beigeordnet. Dies geschah im Rahmen desselben Strafverfahrens, dem das Adhäsionsverfahren gleichsam als Annex zuzuordnen ist. Der innere Zusammenhang ergibt sich aus der Geltendmachung beider Ansprüche der Adhäsionskläger in einem Verfahren gegenüber demselben Schuldner (vgl. Gerold/Schmidt a.a.O. Rn 8, 9). Die Tatsache, dass im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens unterschiedliche zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, steht dem – entgegen der Auffassung der Rechtsanwältin – nicht entgegen (vgl. hierzu Gerold/Schmidt a.a.O. Rn 12), sondern berührt allein die Frage des Verfahrensgegenstands.
2. Da es sich bei den Ansprüchen der Nebenkläger um verschiedene Gegenstände i.S.d. RVG handelt, werden die Gegenstandswerte – hier jeweils 2.500,00 EUR – gem. § 22 RVG addiert.
Der Begriff "dieselbe Angelegenheit" aus §§ 7, 15 RVG und der Gegenstand...