RVG VV Nrn. 2503, 1008

Leitsatz

Es liegen auch dann mehrere Auftraggeber i.S.d. Nr. 1008 VV vor, wenn der Anwalt von der noch nicht geschiedenen Ehefrau sowie ihren Kindern mit der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen beauftragt wird. Die Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV erhöht sich dann um 30 % je weiterem Auftraggeber.

AG Heidenheim, Beschl. v. 24.3.2009 – GR 952/08 B

1 Sachverhalt

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hatte dem Ehemann der Antragstellerin angezeigt, dass sie die Antragstellerin anwaltlich vertrete, Auskunft über das Einkommen während der letzten zwölf Monate vom Ehemann gefordert und mitgeteilt, dass nach Erteilung der Auskünfte die Ansprüche der Antragstellerin und der gemeinsamen Kinder berechnet werden. Die Antragstellerin ist mit dem Vater der Kinder verheiratet, lebt von diesem aber getrennt.

Das AG hat statt der beantragten 112,00 EUR 70,00 EUR Geschäftsgebühr angesetzt. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Antragstellerin die Unterhaltsansprüche der Kinder aufgrund von Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB im eigenen Namen gegenüber dem Kindesvater geltend mache, weshalb keine Mehrheit von Auftraggebern vorliege und eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV nicht entstanden sei.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat Erinnerung eingelegt und in der Begründung die Meinung vertreten, dass die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen außerhalb eines Gerichtsverfahrens durch einen Elternteil gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB erfolge, weshalb vorliegend eine Mehrheit von Auftraggeber vorliege.

Die Erinnerung hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Nach Nr. 2503 VV i.V.m. Nr. 1008 VV war vorliegend die Geschäftsgebühr um 2 x 30 %, also 2 x 21,00 EUR, zu erhöhen, da eine Mehrheit von Auftraggebern vorlag.

Da es sich bei der im Rahmen der Beratungshilfe anfallenden Geschäftsgebühr um eine Festgebühr handelt, war diese gem. Nr. 1008 VV um 30 % je weiteren Auftraggeber zu erhöhen.

§ 1629 Abs. 3 BGB ist eine Regelung zur gesetzlichen Prozessstandschaft und findet trotz des weiter gefassten Wortlautes nicht für die außergerichtliche Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen Anwendung (vgl. insoweit Johannsen-Henrich, Eherecht, 4. Aufl. § 1629; Münchner Kommentar, BGB, 4. Aufl. § 1629 Rn 95 sowie Palandt/Diederichsen § 1629 Rn 33).

Danach konnte die Antragstellerin die Unterhaltsansprüche ihrer Kinder außerhalb eines Prozesses nur im Namen der Kinder geltend machen, weshalb die Verfahrensbevollmächtigte in vorliegendem Fall mehrere Auftraggeber vertreten hat (vgl. OLG Nürnberg, 4.12.2006–11 WF 28/06).

Die zitierte Entscheidung des LAG München ist vorliegend nicht einschlägig, denn dort geht es um die Festsetzung von Nebeninterventionskosten, die im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses angefallen sind. In einem solchen Fall ist § 1629 Abs. 3 BGB (gesetzliche Prozessstandschaft) anwendbar. Beratungshilfe wird aber für die Beratung außerhalb eines Prozesses gewährt.

Mitgeteilt von Rechtsanwältin und FAFamR Susanne Wahl, Heidenheim

3 Anmerkung

Die Entscheidung überzeugt. Bisher ist die Rspr. und Kommentarliteratur davon ausgegangen, dass wegen der Prozessstandschaft nur ein Auftraggeber vorliege. Wie das AG Heidenheim zu Recht ausführt, gilt dies aber nur für gerichtliche Verfahren, nicht für außergerichtliche Vertretungen. Auch hier ist daher die Geschäftsgebühr der Nr. 2500 VV nach Nr. 1008 VV zu erhöhen.

 
Praxis-Beispiel

Der Anwalt vertritt

  die rechtskräftig geschiedene Ehefrau,
  die noch nicht rechtskräftig geschiedene Ehefrau

sowie die beiden minderjährigen Kinder, die Unterhalt gegen den geschiedenen/getrennt lebenden Ehemann und Kindesvater geltend machen.

Im Fall a) sind nach einhelliger Auffassung drei Auftraggeber gegeben. Im Falle b) nach der zutreffenden Auffassung des AG Heidenheim ebenfalls.

Es liegen zwar gesonderte Gegenstände vor, weil jeder Unterhaltsanspruch ein eigener Gegenstand ist. Da bei Festgebühren aber auf eine gemeinschaftliche Beteiligung und denselben Streitgegenstand nicht abgestellt wird, ist hier zu erhöhen, und zwar um zweimal 30 %.[1]

 
1. Geschäftsgebühr, Nrn. 2503, 1008 VV RVG   112,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 132,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   25,08 EUR
  Gesamt   157,08 EUR

Nach der Rspr. ist dagegen die Beratungsgebühr der Nr. 2501 VV nicht zu erhöhen.[2]

Norbert Schneider

[1] KG AGS 2007, 466 = KGR 2007, 703 = Rpfleger 2007, 553 = JurBüro 2007, 543 = RVGreport 2007, 299 = NJ 2008, 83; OLG Nürnberg FamRZ 2007, 844 = OLGR 2007, 686; OLG Oldenburg AGS 2007, 45 = OLGR 2007, 164 = JurBüro 2007, 140 = NJW-RR 2007, 431 = RVGreport 2006, 465; KG AGS 2007, 466 = KGR 2007, 703 = Rpfleger 2007, 553 = JurBüro 2007, 543 = RVGreport 2007, 299; OLG Düsseldorf AGS 2006, 244 = RVGreport 2006, 225; LG Kleve AGS 2006, 244; OLG Nürnberg FamRZ 2007, 844 = OLGR 2007, 686.

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