ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG VV Nrn. 3200, 3201 Nr. 1
Leitsatz
Wird der Antrag auf Zurückweisung eines Rechtsmittels vor Zustellung der Rechtsmittelbegründung gestellt, das Rechtsmittel dann aber begründet und in der Sache entschieden, ist eine 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV erstattungsfähig (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 3.7.2007 – VI ZB 21/06, AGS 2007, 537).
BGH, Beschl. v. 1.4.2009 – XII ZB 12/07
1 Aus den Gründen
Der Antragsgegner kann nach Nr. 3201 VV die Festsetzung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr verlangen.
1. Das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2007, 846 f. veröffentlicht ist, hat den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG nicht beanstandet und hierzu ausgeführt: Ein die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV auslösender Antrag auf Zurückweisung eines Rechtsmittels sei dann nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich, wenn und solange die Gegenseite das eingelegte Rechtsmittel nicht begründet habe. Vorliegend sei der Zurückweisungsantrag des Antragsgegners zwar vor der Begründung des Rechtsmittels gestellt worden, die Beschwerdebegründung der Antragstellerin sei jedoch später tatsächlich eingegangen. Bei dieser Konstellation sei die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV erstattungsfähig. Ob eine Tätigkeit des Rechtsanwalts zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig gewesen sei, beurteile sich nämlich nach den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Entscheidung über diese Frage. Der verfrühte Antrag auf Zurückweisung der sofortigen Beschwerde habe sich aber nach Eingang der Beschwerdebegründung als sachdienlich und insofern als zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig erwiesen. Es wäre eine unangebrachte Förmelei, von dem Rechtsanwalt, der einen verfrühten Antrag gestellt habe, die Wiederholung des Antrags zu verlangen, wenn sich dessen Erforderlichkeit später eingestellt habe.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Auch wenn der Rechtsmittelgegner vor Zustellung der Rechtsmittelbegründung die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt, können die dadurch entstehenden Anwaltsgebühren im Einzelfall zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1, Hs. 2 ZPO darstellen.
a) Durch die Einreichung des Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung der Beschwerde beantragt wurde, ist grundsätzlich nach §§ 2, 13 i.V.m. Nr. 3200 VV eine nach dem Gegenstandswert von 3.000 EUR zu berechnende 1,6-fache Verfahrensgebühr entstanden.
Die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV entsteht für das Betreiben des Geschäfts, wozu auch das Einreichen von Schriftsätzen bei Gericht gehört. Die Verfahrensgebühr ermäßigt sich zwar bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags nach Nr. 3201 Nr. 1 VV auf eine 1,1-fache Gebühr. Hat aber der Rechtsanwalt bereits einen Schriftsatz eingereicht, der die Sachanträge oder einen Sachvortrag enthält, kommt – wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 VV ergibt – eine vorzeitige Beendigung des Auftrags und damit eine Ermäßigung der Gebühr nicht mehr in Betracht (BGH Beschl. v. 2.10.2008 – I ZB 111/07, AGS 2007, 537 = FamRZ 2009, 113).
b) Hiervon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob der Antragsgegner diese Kosten von der Antragstellerin als der unterliegenden Beschwerdeführerin erstattet verlangen kann. Dies setzt nach § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO voraus, dass der Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Die Erstattung der aufgewendeten Kosten kann eine Partei dabei nur insoweit erwarten, als sie der ihr aus dem Prozessrechtsverhältnis obliegenden Pflicht nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (BGH, Beschl. v. 3.7.2007 – VI ZB 21/06 – NJW 2007, 3723).
aa) Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei darf bereits vor dessen Begründung einen Rechtsanwalt beauftragen und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens nach § 91 Abs. 1 ZPO vom Gegner erstattet verlangen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.12.2002 – X ZB 9/02, FamRZ 2003, 522). Nach der Rspr. des BGH ist allerdings ein die 1,6-fache Verfahrensgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels im erstattungsrechtlichen Sinne grundsätzlich nicht notwendig, sofern der Rechtsmittelführer noch keinen Antrag und keine Rechtsmittelbegründung eingereicht hat. Im Normalfall besteht nämlich kein Anlass für den Rechtsmittelgegner, mit der Verteidigungsanzeige seines Prozessbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels anzukündigen. Der Rechtsmittelgegner kann sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf die Entscheidung der Vorinstanz sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern. Es ist nicht ersichtlich, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels ausgehen könnte, solange mangels einer Rechtsmittelbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist. Das gilt unabhängig davon, ob das Rech...