RVG § 58 Abs. 3

Leitsatz

Zahlungen, die ein Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren von seinem Mandanten erhalten hat, sind nach § 58 Abs. 3 RVG auf seine Pflichtverteidigergebühren für die gesamte erste Instanz anzurechnen, weil insoweit das Ermittlungsverfahren und das Verfahren des ersten Rechtszuges als eine Einheit gelten.

OLG München, Beschl. v. 24.3.2010–4 Ws 34/10 (K)

Aus den Gründen

Die Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 3 S. 1 und 3, § 56 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200,00 EUR. In der Sache erweist sich die Beschwerde jedoch als unbegründet, weil der angegriffene Beschluss des LG und die insoweit zugrunde liegende Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Sach- und Rechtslage entsprechen Zahlungen, die ein Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren von seinem Mandanten erhalten hat, sind nach § 58 Abs. 3 RVG auf seine Pflichtverteidigergebühren für die gesamte erste Instanz anzurechnen. Denn unter dem Begriff "Verfahrensabschnitt" i.S.d. § 58 Abs. 3 RVG ist der Instanzenzug zu verstehen, wobei das Ermittlungsverfahren und das Verfahren des ersten Rechtszuges als Einheit gelten (ebenso OLG Köln, Beschl. v. 19.12.2008–2 Ws 626/08 [= AGS 2009, 585]; KG, Beschl. v. 15.7.2008–1 Ws 124/08; OLG Hamm, Beschl. v. 20.11.2007–3 Ws 320/07; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.7.2007–2 Ws 161/07 [= AGS 2008, 117]).

§ 58 Abs. 3 RVG ist an die Stelle von § 101 Abs. 1 und 2 BRAGO getreten, ohne dass eine inhaltliche Änderung – etwa im Sinne einer Einschränkung der Anrechnungsmöglichkeiten von Zahlungen – beabsichtigt war. Es sollte durch die neue Regelung vielmehr lediglich die Regelung des § 101 Abs. 1 und 2 BRAGO in redaktionell angepasster Form übernommen werden. Für das alte Gebührenrecht wurde der sehr weit gefasste Begriff der "Tätigkeit in der Strafsache" allgemein dahin verstanden, dass der gesamte erstinstanzielle Rechtszug gemeint war, Vorschüsse also auch anzurechnen waren, soweit sie für die Tätigkeit des Verteidigers im Vorverfahren gezahlt worden waren (vgl. Köln a.a.O. Rn 14).

Die Anrechnung darf gem. § 58 Abs. 3 S. 3 RVG nur insoweit erfolgen als der Verteidiger durch Vorschüsse und Zahlungen mehr als den doppelten Betrag nach § 51 RVG einschließlich aller Auslagen erhalten würde (OLG Köln a.a.O. Rn 18). Danach können dem Verteidiger vorliegend – jedenfalls derzeit – auch die von ihm geltend gemachten Auslagen nicht aus der Staatskasse erstattet werden.

Anmerkung

Die Entscheidung ist unzutreffend. Wie sich aus dem Vergütungsverzeichnis eindeutig ergibt, handelt es sich bei dem vorbereitenden Verfahren (Ermittlungsverfahren vor der Staatsanwaltschaft) und dem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren um verschiedene Verfahrensabschnitte, die jeweils in eigenen Unterabschnitten gesondert geregelt sind:

Ermittlungsverfahren vor der Staatsanwaltschaft:

  Teil 4 Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 VV

erstinstanzliches gerichtliches Verfahren:

  Teil 4 Abschnitt 1, Unterabschnitt 3 VV

Zahlungen, die der Mandant auf die Tätigkeit des Anwalts im Ermittlungsverfahren geleistet hat, dürfen nicht auf den Vergütungsanspruch der Landeskasse für das gerichtliche Verfahren angerechnet werden und umgekehrt.[1]

[1] OLG Frankfurt/M. AGS 2007, 193 = StraFo 2007, 219 = StV 2007, 476 = NStZ-RR 2007, 328 = StRR 2007, 158; siehe Burhoff, RVG, § 58 Rn 14 ff.

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