GKG-KostVerz. Nrn. 1210, 1211, 1900; GKG § 36 Abs. 3 (FamGKG-KostVerz. Nrn. 1500; FamGKG § 30 Abs. 3)
Leitsatz
Schließen die Parteien einen Vergleich (auch) über nicht anhängige Gegenstände, so darf in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 3 GKG die Summe aus der Verfahrensgebühr für die anhängigen Gegenstände und der Vergleichsgebühr aus dem Mehrwert den Betrag einer Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert nicht übersteigen.
OLG Köln, Beschl. v. 22.4.2010–27 WF 175/09
Sachverhalt
In einem Verfahren auf Zugewinn hatten die Parteien einen Vergleich geschlossen und darin auch weitergehende nicht anhängige Gegenstände mitverglichen. Das FamG hatte den Wert des Verfahrens auf 52.494,00 EUR und den Mehrwert für den Vergleich auf 1.500,00 EUR festgesetzt. In der Gerichtskostenrechnung wurde daraufhin aus dem Wert des eingeklagten Zugewinnanspruchs gem. Nr. 1210 i.V.m. Nr. 1211 GKG-KostVerz. eine 1,0-Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (= 556,00 EUR) angesetzt und für den Mehrwert des Vergleichs gem. Nr. 1900 GKG-KostVerz. eine 0,25-Gebühr (= 16,25 EUR). Dagegen wandte sich die Beklagte und machte geltend, die Vorschrift des § 36 Abs. 3 GKG müsse auch auf das Verhältnis von Verfahrens- zu Vergleichsgebühren angewendet werden; im Ergebnis dürfe das Gebührenaufkommen nicht höher liegen als eine Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert, hier also eine 1,0-Gebühr aus 53.994,00 EUR (= 556,00 EUR). Ansonsten sei die Partei gegebenenfalls gezwungen, den übersteigenden Vergleichsgegenstand zunächst einmal gerichtlich anhängig zu machen, um die Gerichtsgebühren zu reduzieren. Es kann aber nicht sein, dass das Mitvergleichen nicht anhängiger Gegenstände im Ergebnis teurer kommt als deren gerichtliche Durchsetzung. Das Gesetz wolle vielmehr einen Anreiz dafür schaffen, weitergehende Gegenstände ohne Inanspruchnahme des Gerichts zu erledigen. Dem würde es widersprechen, die Vorschrift des § 36 Abs. 3 GKG hier nicht entsprechend anzuwenden.
Die Bezirksrevisorin ist der Erinnerung entgegengetreten. Sie hält die Gebührenarten für nicht wesensgleich; bei der Vergleichsgebühr handele es sich um eine Aktgebühr, die zusätzlich zu erheben sei. Das FamG hatte die Erinnerung zurückgewiesen. Die zugelassene Beschwerde hatte dagegen Erfolg.
Aus den Gründen
Die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 3 GKG wird nicht einheitlich beantwortet.
Sie wird im Ergebnis vom OLG München in einer Entscheidung vom 10.12.2008 abgelehnt (11 W 2504/08, MDR 2009, 894 = JurBüro 2009, 491 = AGS 2009, 491 = OLGR 2009, 722). Die Vergleichsgebühr sei jeweils anzusetzen. Es sei allein auf den Wert abzustellen, um den der Vergleichsgegenstand den Verfahrensgegenstand übersteige. Die Vergleichsgebühr sei eine bewusst geschaffene eigenständige Handlungs- oder Aktgebühr, mit der pauschal die Mitwirkung des Gerichts abgegolten werden solle, nicht aber eine Verfahrensgebühr. Dem verminderten Aufwand des Gerichts sei durch die Ermäßigung der Gebühr auf 0,25 hinreichend Rechnung getragen.
Soweit in der Lit. zu der Frage Stellung genommen wird, wird die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 36 Abs. 3 GKG sei entsprechend anzuwenden. Diese Sichtweise vertritt neben dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten (NJW-Spezial 2008, 571 und Anm. zu dem erwähnten Beschluss des OLG München in AGS 2009, 493 sowie zum gleichlautenden § 30 Abs. 3 FamGKG in Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG § 30 FamGKG Rn 46; Nr. 1500 GKG-KostVerz. Rn 33) auch Volpert (AGS 2010, 53) sowie Rechtsanwalt Dr. Prutsch, der für die RAK Köln Fortbildungsmaßnahmen veranstaltet, in seinem Skript.
Die Beschwerde ist in der Sache begründet.
Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung, die § 36 Abs. 3 GKG entsprechend anwendet. Zutreffend ist zwar, dass es sich bei der Verfahrensgebühr und der Vergleichsgebühr um vom Ansatz her unterschiedlich konzipierte Gebühren handelt. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sich bei einer Erledigung durch Vergleich die Verfahrensgebühr lediglich auf 1,0 reduziert, wohingegen die Vergleichsgebühr gerade einmal 0,25 beträgt. Auch wenn man § 36 Abs. 3 GKG entsprechend anwendet, hat das in vielen Fällen, in denen sich die Verfahrensgebühr nach den zusammengerechneten Werten berechnet und ein Gebührensprung erreicht wird, zur Folge, dass die auf einer solchen Grundlage nach Vergleichsschluss errechnete 1,0-Verfahrensgebühr höher liegt als die Verfahrensgebühr von 1,0 ohne den Mehrvergleichsgegenstand zuzüglich der Vergleichsgebühr von 0,25 aus dem Mehrwert. Eine Kappung über § 36 Abs. 3 GKG wird danach vor allem in solchen Fällen, in denen der Mehrvergleich bei einer Zusammenrechnung beider Werte zu keinem Gebührensprung bei der Verfahrensgebühr führt, geringere Gerichtsgebühren zur Folge haben.
Ungeachtet der unterschiedlichen Ausgestaltung der Gebührentatbestände entspricht die entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 3 GKG am ehesten der systematischen Verknüpfung, die beide Gegenstände erfahren haben.
Aus Nr. 1900 GKG-KostVerz. wird deutlich, dass eine Vergleichsgebühr nicht anfallen soll...