ZPO § 3
Leitsatz
- Die nach § 3 ZPO im freien Ermessen stehende Bewertung des Rechtsmittelinteresses kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
- Wendet sich eine Partei mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung, den Zutritt zu einem im gemeinsamen Eigentum stehenden Grundstück zu gewähren, bemisst sich ihre Berufungsbeschwer nicht nach dem Interesse der Gegenseite an der Vornahme der zu duldenden Handlung, sondern nach ihrem Interesse daran, die Handlung nicht dulden zu müssen.
BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – XII ZB 130/09
Sachverhalt
Die Klägerin und der Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagter) sind getrennt lebende Ehegatten. Sie streiten um das Zutrittsrecht des Beklagten zu dem im hälftigen Miteigentum stehenden Hausgrundstück.
Der Beklagte war vor Jahren aus der Ehewohnung ausgezogen und hatte in der Folgezeit auch keine ernstliche Rückkehrabsicht bekundet. Nachdem er das Grundstück in der Folgezeit eigenmächtig betreten hatte, untersagte das AG ihm den Zutritt durch einstweilige Verfügung. In dem anschließenden Hauptsacheverfahren verurteilte das AG den Beklagten, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, das gemeinsame Hausgrundstück zu betreten, wenn er nicht einen rechtlichen Anspruch auf Zutritt habe.
Auf die Widerklage des Beklagten hat das AG die Klägerin verurteilt, dem Beklagten "jeweils zum 1.12. und 1.6. eines jeden Kalenderjahres in der Zeit von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr Zutritt zu dem vorbezeichneten Grundstück zu gewähren". Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Das LG hat die Beschwer der Klägerin auf 500,00 EUR festgesetzt und die Berufung der Klägerin mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig, weil der allein vorgetragene Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rspr. nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vorliegt.
Unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rspr. ist eine Rechtsbeschwerde dann zulässig, wenn die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein- und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGHZ 154, 288, 292 f. = NJW 2003, 1943). Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rspr. ist ferner dann gegeben, wenn einem Gericht bei der Rechtsanwendung Fehler unterlaufen, die eine Wiederholung durch dasselbe Gericht oder eine Nachahmung durch andere Gerichte erwarten lassen, und wenn dadurch so schwer erträgliche Unterschiede in der Rspr. zu entstehen oder fortzubestehen drohen, dass eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig ist. Dabei muss es sich allerdings um einen Rechtsfehler von symptomatischer Bedeutung handeln (BGHZ 152, 182, 187 = NJW 2003, 65). Diese Voraussetzungen sind also nicht schon dann erfüllt, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts, gemessen an der Rspr. des BGH, fehlerhaft ergangen ist (BGHZ 154, 288, 293 = NJW 2003, 1943). Ein schwerer, das Vertrauen der Allgemeinheit in einer funktionierende Rspr. gefährdender Rechtsfehler liegt erst dann vor, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Gerechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deswegen von Verfassungs wegen der Korrektur bedarf. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers – insbesondere des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) – beruht (BGHZ 154, 288, 296 = NJW 2003, 1943). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
1. Eine Divergenz zur Rspr. des BGH liegt nicht vor.
Nach ständiger Rspr. des richtet sich der Beschwerdewert nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers. Das gilt auch, wenn dieser – wie hier – zur Duldung verurteilt worden ist und sich dagegen wendet (Senatsbeschl. v. 4.11.1998 – XII ZB 111/98, FamRZ 1999, 647, 648 und vom 30.10.1991 – XII ZB 127/91, NJW-RR 1992, 188). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat die Beschwer der Klägerin nach ihrem Interesse bemessen den Zutritt des Beklagten zum Hausgrundstück zu verhindern.
2. Dem Berufungsgericht ist – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde – auch kein symptomatischer Rechtsf...